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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Für einen winzigen Augenblick entdeckte er einen Funken in ihren Augen, eine Erinnerung an die frühere Anna.
    »Ja, darum möchte ich dich bitten.«
    »Gut«, sagte sie mit unbewegtem Gesicht. Loukas erhob sich. Er küsste sie auf die Stirn. »Gute Nacht, Tochter. Und danke!«
    »Gute Nacht, Papa.«
    »Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst?«, fragte er, als er in der Tür stand. Der Anblick seiner unglücklichen Tochter zerriss ihm fast das Herz.
    »Ich weiß, aber es gibt nichts zu reden.« Es war ein gewöhnlicher, nicht aufsehenerregender Satz, und dennoch traf er ihn wie ein Schlag in die Magengrube.
    Beim Auskleiden fragte er sich, ob er seine Tochter verloren hatte. Er entschuldigte sich bei seiner Frau, weil er noch einmal kurz bei Demetrios vorbeischauen müsse. Er nahm den Teller mit der Kerze unter der gläsernen Haube und ging den dunklen Gang entlang, nahm eine Treppe und klopfte an die Tür seines Bruders. Schwarz wie die Dunkelheit lagerte die Ruhe im Palast. Demetrios lugte durch den Spalt. »Ach, Loukas! Komm rein.« Er öffnete die Tür ganz und ließ seinen Bruder hinein. Mehrere Öllichter tauchten das Zimmer in einen warmen gelben Schein. Der Geruch von verbranntem Olivenöl kitzelte die Nasenschleimhäute des Admirals. Das Jünglingsbett, das Demetrios noch immer benutzte, stand in der Ecke hinten links. Beinkleider und Tunika, die er getragen hatte, lagen achtlos auf dem Boden. Er setzte sich in einen samtroten Lehnstuhl und bot Loukas in dem blauen Gegenstück einen Platz an. Auf einem kleinen, achteckigen Mahagonitisch, dessen Bögen geschnitzt waren, fanden sich ein Stift und Skizzenblätter.
    »Anna kommt morgen wieder zu dir ins Kontor.«
    »Ausgezeichnet, ihre Hilfe kann ich wirklich gut gebrauchen«, rieb sich Demetrios die Hände.
    Die Reaktion seines Bruders freute Loukas. »Ich hoffe, dass sie dir eine Hilfe ist. Sie ist momentan nicht ganz einfach.« Demetrios winkte ab, so als sähe er darin keine Schwierigkeit.
    »Wie war das, als du mit unserem Vater nicht mehr sprechen konntest, als du den Kontakt zu ihm verloren hattest?«
    Nachdenklich musterte der Maler seinen älteren Bruder. »Spricht Anna nicht mehr mit dir?«
    »Natürlich spricht sie noch mit mir, aber sie sagt mir nichts mehr.«
    »Solange sie mit dir spricht, sagt sie dir noch etwas, nur anders. Höre ihr genauer zu. Vater und ich hatten damals kein Gespräch, nicht mal mehr einen Wortwechsel miteinander. Das kann man nicht vergleichen.«
    Enttäuscht erhob sich Loukas. Auch sein Bruder konnte ihm nicht helfen. In den ganz wichtigen Dingen steht man immer allein da, dachte er. »Danke für das Gespräch, ich …« Der Admiral hatte die Tür fast erreicht und griff schon nach dem Hartholzriegel, als er die Stimme seines Bruders vernahm. »Du hast sie nicht verloren, Loukas. Gib ihr Zeit. Quäle dich nicht, es hat vielleicht nur sehr wenig mit dir zu tun. Schön, dass sie wieder ins Kontor kommt, das ist ein Anfang.«
    Im Bett informierte Loukas auch Eirene, dass er Anna wieder ins Kontor schickte.
    »Hoffentlich bringt sie das auf andere Gedanken«, meinte Eirene skeptisch.
    »Du meinst, sie hat Liebeskummer?«
    »Etwas Ähnliches, etwas anderes, aber genau das.« Sie lächelte etwas unglücklich. »Verstehst du, was ich meine?«
    *
    Der Sommer 1438 kam und mit ihm ein Brief von Nikolaus von Kues für Anna. Nikolaus hatte das Schreiben in Venedig dem Kapitän eines Schiffes mitgegeben, das nach Konstantinopel fuhr. Der Brief an Anna befand sich in einem größeren, der an Loukas Notaras gerichtet war.
    Anna aß zwar inzwischen wieder normal, auch lächelte sie hin und wieder, aber der Ernst als Grundton ihres Wesens blieb. Ihre Leichtigkeit, die wunderbar filigrane Frechheit des Scherzes schien wie ein Kelch aus Bleikristall in tausend Splitter zerbrochen zu sein.
    Als der Umschlag von Nikolaus von Kues eingetroffen war, las Loukas Eirene den an ihn gerichteten Brief am Abend vor:
    »Hochwohlgeborener Herr Admiral Loukas Notaras,
    ich habe Eurer Tochter einen Brief über ein philosophisches Problem geschrieben, das ich dank ihrer lösen konnte. Ich bitte Euch, ihr den Brief zu geben. Sie hat eine große Begabung fürs Denken. Es würde mich sehr freuen, wenn Ihr diese Begabung unterstützen und fördern könntet. Diese außergewöhnliche Fähigkeit ist eine Gnadengabe Gottes. Ich versichere Euch der Ehrenhaftigkeit meiner Motive.
    Mit Gottes Segen
    Nikolaus von Kues.«
    Als Loukas geendet hatte,

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