Byzanz
zum Weitersprechen auf.
»Wladislaw marschiert auf Varna und von dort auf Edirne. Der Großteil unseres Heeres sitzt in Anatolien fest. Wir brauchen Schiffe und vor allem erstklassige Seeleute, mit denen wir die Blockade durchbrechen können.«
»Das wäre Verrat«, warf Loukas kühl ein.
»Nicht an Konstantinopel«, entgegnete der Türke nicht minder kühl. »Wenn die Kreuzfahrer Rumelien erobert haben, werden sie nach Anatolien übersetzen und den Sultan angreifen. Wir haben zwar den Herrscher von Karaman geschlagen, aber diese Gelegenheit, uns in den Rücken zu fallen, wird er sich nicht entgehen lassen. Wenn die Lateiner auf dem Balkan, in Rumelien und in Anatolien gesiegt haben, meint Ihr nicht, sie werden wie 1204 Konstantinopel erobern? Der Papst ist nicht Euer Freund, denn Ihr verwirklicht nicht die Kirchenunion.« Der Großadmiral dachte nach. Es stimmte. Wer sollte die Lateiner nach ihrem glorreichen Sieg aufhalten? Wer hinderte sie dann, wieder und diesmal endgültig die Stadt zu erobern?
»Loukas, das Gleichgewicht zwischen den Lateinern und uns garantiert die Existenz dieser Stadt, nichts anderes.«
»Ich weiß, aber wer garantiert mir, dass Ihr kein falsches Spiel treibt?« Halil Pascha legte auf diese Frage hin den Kopf schief und schaute den Großadmiral belustigt an. »Mehmed I. hat sein Wort gehalten, wie es auch Murad tut. Den Kronprinzen, der einmal als Mehmed II. dem großen Murad folgen wird, habe ich unter meine Fittiche genommen. Von dem Gimpel droht keine Gefahr«, antwortete der Türke mit herablassendem Unterton. Nicht das Geringste war je vorgefallen, das es rechtfertigte, an den Worten des Wesirs zu zweifeln. Seit nunmehr zwanzig Jahren trieben sie Geschäfte miteinander. Der Wesir, der mit den Jahren das Aussehen eines fetten Katers angenommen hatte, schnurrte behaglich. »Bedenkt, wenn die Lateiner wieder im Besitz von Konstantinopel sind, werden hier nur noch die genuesischen und venezianischen Kaufleute das Sagen haben, und die Griechen gehen leer aus. Das wäre Euer Ende, Loukas Notaras.« Der Großadmiral stimmte dem Türken innerlich zu. Ohne die Türken würden die Lateiner die Griechen verschlingen. Loukas wurde aschfahl und sah Halils weit aufgerissene Augen. »Ist Euch nicht gut?«, fragte der Wesir.
»Nein, nein, es wird gleich wieder. Es ist nur, es ist und bleibt Verrat. Entschuldigt mich einen Moment. Ich lasse Euch etwas zu essen und zu trinken bringen.« Loukas stand auf und wankte zur Tür. Er drehte sich noch einmal um und hob hilflos die Hände. »Man verliert nicht an einem Tag seinen Vater und verrät im gleichen Augenblick seine Heimat.«
Er musste unbedingt mit jemandem darüber sprechen, sich beraten. Niemand jedoch konnte ihm die Entscheidung abnehmen. Schlimmer noch, er würde einen Menschen, den er liebte, seine Frau oder Anna, mit in den Abgrund des Verrats ziehen. Nein, seine Antwort durfte nur der Türke hören, und er würde allein die Folgen tragen. Wäre es nicht ungeheuerlicher, die Ungeheuerlichkeit nicht zu begehen? Bedeutete es nicht Verrat, nicht zu verraten? Was eigentlich verraten? Die Interessen Konstantinopels? Wohl kaum. Die Interessen der Lateiner? Sicherlich, doch diese richteten sich auch gegen seine Heimatstadt. Er blieb nur im Geschäft, wenn Konstantinopel die Unabhängigkeit bewahrte, und das erreichte die kraftlose Stadt lediglich, wenn die Balance zwischen den Türken und den Lateinern standhielt. Ganz gleich, wie es kommen würde, duldete Annas Reise nach Italien keinen Aufschub. In Genua und Venedig mussten Filialen der Notaras-Familie entstehen. Er würde ihr seine besten Leute mitgeben, und sie hätte in Italien in dem Kardinal Bessarion einen mächtigen Fürsprecher und einen guten Freund. Loukas kehrte ruhig in das Zimmer zurück. Halil trank einen Roten und aß ein Täubchen. Sein Entschluss stand fest. »Eure Truppen werden übergesetzt. Dafür halbiert Ihr die Pacht für die Alaungruben von Phokaia und zahlt mir sechzigtausend Dukaten. Das Geld sollte in den nächsten Tagen bei mir eintreffen. Außerdem stellt Ihr mir einen Verbindungsmann, nach Möglichkeit einen Venezianer, keinen Griechen, keinen Genuesen.« Halil lächelte sein Katerlächeln. »Es ist immer wieder schön, mit Euch Geschäfte zu machen, Loukas Notaras.«
An diesem Abend suchte Loukas die Nähe seiner Frau. Eirene führte sein Verlangen nach Zärtlichkeit auf die Wunde zurück, die der Tod des Vaters ihm geschlagen hatte. Auch sprach er mit ihr
Weitere Kostenlose Bücher