Byzanz
sich wieder zu setzen. »Sultan Mehmed II. fordert uns auf, ihm die Stadt zu übergeben, dann würden ihre Bürger und ihre Besitztümer verschont bleiben. Andernfalls hätten wir keine Gnade zu erwarten, und er würde die Stadt drei Tage lang von seinen Truppen plündern lassen. Wie lautet Eure Antwort?«
Die Ratsmitglieder schwiegen. Alexios, dessen Meinung feststand, schließlich hatte er nie den Türken vertraut, wartete ab. Da erhob sich Loukas Notaras. Aller Augen richteten sich auf ihn. »Ihr wisst, dass ich immer dem Frieden das Wort geredet habe. Zeit meines Lebens habe ich mit den Türken Geschäfte gemacht, und ich kenne sie. Deshalb rate ich, sich nicht zu ergeben. Mehmed kann man nicht trauen. Ein Wort gilt ihm nichts. Nichts von dem, was er verspricht, wird er halten. Wahrheit ist für ihn nur ein anderer Ausdruck für List. Und List ist ihm alles.«
Staunen breitete sich auf den Gesichtern der Geheimen Räte aus; am meisten überrascht war Alexios Angelos, den es nun nicht mehr auf seinem Platz hielt. »Das erste Mal stimme ich Euch zu!«
»Eher siegen die Türken, als dass Alexios Angelos und Loukas Notaras einer Meinung sind. Wenn sie es aber heute sind, dann haben die Heiden vor unseren Mauern keine Chance«, scherzte der Kaiser. Die Räte lachten. Georgios Sphrantzes trat mit ernstem Gesicht ein. Konstantin bat die Räte, schon in den Audienzsaal vorzugehen. Nur Loukas Notaras, den Oberbefehlshaber Kantakuzenos und Alexios Angelos forderte er zum Bleiben auf.
»Hast du die Zahl?«
»Ja, Herr«, antwortete der Großkanzler. »Wir können viertausendneunhundertdreiundsiebzig Männer zur Verteidigung der Stadt einsetzen. Hinzu kommen noch knapp zweitausend Ausländer – Venezianer, Genuesen, Anconitaner und Katalanen.«
Konstantin sah aus, als habe ihn der Donner gerührt. »Mehr nicht?«, entfuhr es seinen blassen Lippen.
»Nein, Herr!«
»Wie viele hat der Großtürke? Sechzigtausend oder achtzigtausend Mann?«
»So in der Art, Herr.«
»Dann sterben wir«, sagte Konstantin.
»Vorher aber kämpfen wir. Wir haben gute Wehrmauern«, warf Alexios ein.
»Und die Flotte«, ergänzte der Großadmiral.
Konstantin nickte nachdenklich, dann raffte er sich auf: »Wir wollen die anderen nicht warten lassen.«
Der Audienzsaal barst fast vor Menschen. Der Kaiser setzte sich auf seinen Thron, Alexios, Loukas, Sphrantzes und Kantakuzenos stellten sich auf die Stufen. Vom Eingang des Palastes drängte eine Unruhe herein. Ein Gardist trat zum Kaiser und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
»Lasst den trefflichen Mann herein«, befahl Konstantin.
Die Männer traten zur Seite und bildeten ein Spalier. »Drei Schiffe aus Genua mit Kriegern sind eingetroffen«, verkündete der Kaiser. Jubel brach aus. Wenn es auch nicht viele Kämpfer waren, so zeigte es den Eingeschlossenen, dass sie weder von der Welt getrennt noch allein waren. Ein stattlicher, wettergebräunter Mann in schwarzer Rüstung schritt durch das Spalier und verbeugte sich vor dem Kaiser. Der Kaiser gebot ihm, sich zu erheben. »Wie heißt Ihr?«
»Giovanni Giustiniani Longo aus Genua mit zweihundert Kämpfern zur Unterstützung zur Stelle«, sagte der Mann auf Latein mit stark italienischem Akzent.
»Ihr seid willkommen, Giustiniani, aufs Höchste willkommen. Zur Aufstellung: Ich werde mit meiner Garde und anderen Verbänden den Abschnitt verteidigen, bei dem wir den Hauptangriff erwarten, dort wo der Fluss Lykos in unsere Stadt fließt, beim Romanus-Heerestor. Zu meiner Rechten wird Giovanni Giustiniani Longo Stellung beziehen, dann folgen zum Schutz des Blachernenviertels die Genuesen unter dem Kommando der Herren Bocchiardi und die Venezianer unter Minotto. Ich weiß, dass die Venezianer und die Genuesen sich hassen, dass ihr mancherlei Händel auszutragen habt. Begrabt wenigstens für die Dauer unseres Kampfes euren Streit. Vor unseren Mauern steht der Feind. Schließt in Christo Frieden. Zu meiner Linken wird Theophilos Palaiologos kämpfen, es schließen sich die Venezianer unter Contarini an, das Pege-Tor verteidigt der Genuese Manuel. Die Verteidigung der Seemauern vom Blachernenviertel bis zur St.-Barbara-Spitze wird Loukas Notaras übertragen. Die beiden Kapitäne der venezianischen Handelsschiffe, die beschlossen haben zu bleiben, werden wie folgt eingesetzt: Der ehrenwerte Gabriele Trevisano schließt sich mit seinem Kommando Loukas Notaras an, während Alviso Diedo den Schutz der Kette übernimmt, mit der wir die Einfahrt ins
Weitere Kostenlose Bücher