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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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muss«, sagte Alexios, als er in den Palast zurückkehrte. In knappen Worten schilderte er Ioanna ohne Beschönigung die Lage. »Es wäre besser, ich bringe euch in Sicherheit«, schloss er den Bericht. Ioanna straffte sich, jeder Zoll eine Palaiologina. Ihre Augen blickten klar und schön, während ihre Lippen, die er so sehr liebte, lächelten. »Überleg selbst, Alexios. Wie soll das aussehen, wenn der Feldherr vor der entscheidenden Schlacht seine Familie fortschafft?« Auch wenn es stimmte, was sie sagte, gefiel es ihm überhaupt nicht, die einzigen Menschen, die er auf der Welt liebte, in den Mauern der Stadt zu wissen. Natürlich konnte man die Türken besiegen. Bisher hatten sie nur durch Quantität siegen können, nicht durch Qualität. In Varna war trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit der Sieg zum Greifen nahe gewesen, und Skanderbeg spielte erfolgreich in Albanien mit den Osmanen Katz und Maus, dabei gebot er nur über wenige Krieger. Aber ob ihnen das Kunststück gelingen würde, blieb doch mehr als zweifelhaft. »Du wirst wohl oder übel siegen müssen, wenn du uns liebst«, schloss Ioanna energisch die Diskussion.
    Alexios zog die blauen Beinlinge an, darüber eine Ledertunika, über die er einen Brustpanzer band, und setzte seinen alten Kriegshelm auf. Ich werde wohl oder übel siegen müssen, dachte er, als er seine Tochter zum Abschied umarmte. Er presste ihren kleinen Oberkörper so fest an seine Brust, dass sie protestierte: »Papa, du tust mir weh«, wobei er erneut dachte, wohl oder übel siegen zu müssen. Er lockerte seinen Griff und entschuldigte sich bei ihr. Es ist leicht, in die Schlacht zu ziehen, wenn man nichts zu verlieren hat.
    Noch immer hoffte Loukas Notaras auf die Rückkehr wenigstens eines der fünf Boten, die er an Halil Pascha geschickt hatte. Doch keiner kam zurück. Er mochte nicht glauben, dass sein alter Geschäftspartner ihn betrogen hatte.
    Der Großadmiral suchte vor der Sitzung noch einmal seinen Palast auf. Der Dienstbote sagte ihm, dass Eirene mit den Kindern in die Hagia Sophia gegangen sei, um für das Seelenheil der Stadt zu beten. Als er wieder aus dem Palast trat, stieß er vor dem Eingang mit dem Boten zusammen, den er zu Jakub Alhambra geschickt hatte. Die Kleidung des Mannes stand vor Staub, vor Müdigkeit vermochte er kaum die Augen offen zu halten.
    »Hast du eine Botschaft für mich?«, fragte Loukas gespannt.
    »Ja, Herr, aber der Jude wollte nichts aufschreiben. Ich sollte im Kopf bewahren, was er Euch mitzuteilen hat.«
    »Dann sprich in Gottes Namen!«
    »Wie Ihr befehlt, Herr. Der Jude sagte, dass er Euch grüßen lasse.«
    »Schön, und weiter?«
    »Er versichert Euch seiner Freundschaft.«
    »Komm zum Wesentlichen!«
    »Der Wesir hat sich mit aller Autorität gegen die Belagerung von Konstantinopel gestemmt, allein, er hat keinen Einfluss mehr. Er kann nichts mehr für Euch tun, wenn er denn überhaupt noch etwas für sich tun kann. Er bittet Euch um Verzeihung. Mehmed ist entschlossen, die Stadt zu erobern, um eine Prophezeiung des Propheten zu erfüllen. Jakub Alhambra lässt Euch ausrichten, dass er Eure Familie aufnehmen kann, aber nicht Euch. Er grüßt Euch von Herzen.« Als Loukas Notaras das hörte, zerbrach etwas in ihm. Sein ganzes Leben lang hatte er darauf vertraut, dass die Türken Wort hielten, und war nie in diesem Glauben enttäuscht worden. Im Gegensatz zu den Päpsten, Königen und Dogen hatten sich die Sultane immer als verlässlich erwiesen. Diese Herren, und es waren wirkliche Herren, standen zu ihrem Wort. Das schien sich mit Mehmed geändert zu haben. Seine ganze Politik, alles, woran er geglaubt hatte, wurde ihm fragwürdig. Der Großadmiral stolperte mehr, als dass er zur Hagia Sophia ging. Nachdem er den Vorhof mit seinen Zypressen und Zitronenbäumen durchquert hatte, stieg er die flachen Stufen hoch, als ob er einen Berg erklomm. Durch die geöffnete mittlere Tür trat er in den Narthex. Auch die schweren Eisentüren mit den großen Kreuzen, die aus dem metallenen Leib der Tür wie Delphine aus dem Meer auftauchten, standen offen.
    Loukas trat in den Hauptraum, der mit betenden Menschen und mit Licht gefüllt war. Licht, das vom Himmel kam und über die Fenster des Kuppeltambours in den Raum drang. Man hatte das Gefühl, dass dieses Licht die Kuppel und die Bögen trug und dass man, solange es da wäre, ruhig die Pfeiler entfernen konnte. Haupt- und Nebenkuppel, ja selbst die Bögen würden trotzdem halten, weil ihr Gewicht

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