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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Seeräubers, wie man Nikephoros Notaras in einer Anspielung auf die wenig rühmlichen Ursprünge des Reichtums der Notaras-Familie nannte. Sie wusste nicht, wie lange er schon in der Tür stand. Es hätte ihr peinlich sein müssen, dass er sie möglicherweise beobachtet und belauscht hatte, es war ihr aber nicht peinlich.
    »Darf ich Euch sprechen, Hoheit?«, fragte Nikephoros.
    Eirene folgte ihm auf den Gang.
    »Wozu würdet Ihr mir raten?«, fragte er mit echtem Interesse.
    »Straft den, der die Verantwortung dafür trägt.«
    »Also Euch, denn nicht Alexios Angelos, sondern Ihr tragt die Verantwortung dafür, dass mein Sohn um sein Leben kämpfen muss. Der Fürst hat nur seine Rechte verteidigt, wenn auch auf eine etwas hinterhältige Art.«
    »Dieser Mann verfügt über keine Rechte an mir! Ihr habt einen mutigen Sohn und seid selbst ein Feigling«, rief Eirene zornig.
    Nikephoros gefiel das Feuer in den Augen der jungen Frau. »Worin besteht denn meine Feigheit, hohe Dame?«
    »In der Angst, den Rang einzunehmen, der Euch zukommt. Der Kaiser hält große Stücke auf Euch, Eure Unternehmungen hat Fortuna selbst unter ihre Fittiche genommen, und dann weicht Ihr vor einem Angelos zurück? Einem Raufbold aus der Provinz?«
    »Ihr mögt es Feigheit nennen, ich nenne es Klugheit, und der Erfolg gibt mir recht«, gab Nikephoros zurück.
    In diesem Moment trat ein Diener zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    »Würdet Ihr mich kurz entschuldigen, ich möchte gern das Gespräch mit Euch fortsetzen, muss mich aber kurz um eine Angelegenheit kümmern, die keinen Aufschub duldet.«
    Eirene war das recht. Lieber wachte sie bei dem Sohn, als sich mit dessen Vater zu streiten. Sie küsste Loukas sanft auf die Lippen und stellte fest, wie weich und verführerisch sie waren. Ihr schien, dass er den Kuss gespürt hatte, weil ein Engelslächeln, so wie es nur drei Monate alten Kindern gelingt, über seine Lippen lief und Fältchen in den Augenwinkeln warf.
    Früher als erhofft kehrte der alte Seeräuber zurück. Erneut folgte Eirene ihm auf den Gang hinaus. Thekla, die sich unterdessen erfrischt und die Kleider gewechselt hatte, lächelte sie freundlich an und ging dann ins Zimmer, um die Wache bei ihrem Sohn fortzusetzen.
    Nikephoros wirkte gelassen wie zuvor, doch Eirenes feiner Intuition entging nicht, dass in ihm etwas arbeitete.
    »Ihr sagt, Ihr liebt meinen Sohn?«, fragte er streng.
    »Von ganzem Herzen.«
    »Und er, liebt er Euch auch?«
    Eirene schlug die Augen zu Boden. »Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es.«
    Nikephoros Notaras musste unwillkürlich schmunzeln. Dann rang er sich zu einem ungewöhnlichen Entschluss durch, denn er vertraute seiner Menschenkenntnis und er brauchte dringend Verbündete, die jederzeit Zugang zum Kaiser hatten. »Jetzt glaube ich Euch, dass Eure Liebe echt ist. Wollt Ihr uns beistehen?«
    »Ja.«
    »Für uns Partei ergreifen, wenn es nottut? Aber wartet, antwortet nicht vorschnell, hohes Fräulein, es könnte höchst ungemütlich bei uns zugehen.«
    »Ich will es. Ich will es!«
    »Kommt mit, aber schweigt über alles, was Ihr sehen und hören werdet.«
    Nikephoros führte Eirene ins Souterrain, in einen der hinteren Lagerräume. Sie hatte das Gefühl, zum tiefsten Punkt des Hauses vorzudringen, den Ort, an dem die Familiengeheimnisse aufbewahrt wurden.
    »Habt Ihr starke Nerven?«, fragte er.
    »Ja. Verlasst Euch auf mich.«
    »Gut, die werdet Ihr auch brauchen. Denkt stets daran, wir sind keine grausamen Menschen, aber wir kämpfen ums Überleben.«
    »Grausam ist, was man Eurem Sohn angetan hat«, antwortete sie entschlossen.
    »Gewiss«, sagte Nikephoros, nicht wissend, ob ihre Äußerung ironisch gemeint oder naiv war, denn der rücksichtslose Kampf eines jeden gegen jeden war doch nur Teil des Geschäftes. »Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf«, lupus est homo homini, sagte der göttliche Plautus, dessen Komödien Nikephoros sehr liebte in den »Asinaria«. Von Zeit zu Zeit ließ er sie im Sommer in seinem Garten aufführen.
    Öllampen beleuchteten den fensterlosen Raum. Säcke und Kisten stapelten sich hier bis unter das Tonnengewölbe und ließen nur in der Mitte einen freien Platz. Dort stand, an einen Pfeiler gefesselt, Jacques le Lame mit grimmiger Miene. Auf seiner Stirn blühte eine Beule. Die Spitzel hatten den richtigen Moment ausgespäht und ein paar besonders kräftige Besatzungsmitglieder der »Nike« rasch und entschlossen gehandelt.
    Eirene spürte, dass jemand

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