Byzanz
genügend, wie sich auch genügend Interessenten für seine Stellung und sein Vermögen finden würden.
Außer Atem betrat Demetrios die Werkstatt des berühmten Malermönches Dionysios, die sich in einem Nebengelass der Sophienkirche befand. Er war den ganzen Weg gerannt. Neben der Tür ließen sich die beiden Seeleute nieder, die Demetrios sicherheitshalber begleiteten und die dem Jungen ein wenig das Tempo verübelten, das er angeschlagen hatte. Ein rauchiger, gleichzeitig unangenehmer Geruch umfing ihn. Die Werkstatt war nicht sehr groß, aber es gab einen Kamin und einen beherrschenden Steintisch, auf dem ein Becken mit brennender Kohle stand. Demetrios schaute sich erstaunt um. Auf dem Steintisch lagen verschiedene Marmorplatten, auf dem sich wie Schlangen und Käfer feuchte Klumpen unterschiedlicher Farbe rekelten. Der Meister, ein gebeugter Mann unschätzbaren Alters, trug andächtig Gips auf eine Holztafel auf.
»Es gibt Maler, die lassen sich die Tafeln von ihren Schülern vorbereiten. Aber das sind keine Meister, sondern erbärmliche Sünder. Unser Handwerk ist heilig! Ein Maler muss die Ikone von Anfang an, von der Auswahl des Holzes für die Tafel bis hin zum Auftragen des Firnisses, allein herstellen, denn das Malen einer Ikone ist ein Gebet. Wenn das misslingt, ist das Bildnis verpfuscht. Die Bilder sind Abbilder Gottes in unserer Seele, und wir müssen ihr die Heimat bereiten.«
Der Blick des Jungen fiel auf einen schwarzroten Stein, der in der Glut brannte.
»Ocker für die Haare und den Bart Christi. Wer bist du?«, fragte der Maler, ohne von seiner Arbeit aufzuschauen.
»Demetrios Notaras, und mein Vater schickt mich.«
»Was kann ich für deinen Vater tun?«
»Er bittet Euch, eine Maria Hodegetria anzufertigen.«
Das Gesicht des Mönches zeigte kurz den Ausdruck von Unwilligkeit. »Anfertigen kann ich sie nicht.«
»Ihr seid doch der Meister!« Demetrios verstand ihn nicht.
Dionysios sah den Jungen ernst an, wobei er heftig seine Stirn massierte. »Ich kann nur die Muttergottes bitten, dass sie durch mich ihr Abbild schickt.«
»So bittet sie! Und bittet sie sofort! Fangt gleich an!«
»Droht euch Gefahr?«
»Ich weiß es nicht! Ich weiß nur, dass mein Bruder überfallen wurde und um sein Leben ringt. Helft, Meister, helft. Ich bitte Euch!«
Gegen seinen Willen wurden die Augen des Jungen feucht. Mit einem Blick erfasste der Mönch die Situation. »Ich werde die Muttergottes um Beistand bitten. Willst du mir dabei helfen, so bete mit mir, denn dein Flehen kann die Himmelstür öffnen, mein Sohn.«
Mit ausgestreckten Armen warf sich Dionysios vor einer kleinen Christusikone nieder, die an der Ostwand der Werkstatt hing und vor der die Flamme eines Öllämpchens züngelte. Demetrios tat es ihm gleich.
»O Mutter Gottes, die du so glänzend bist wie die Sonne, liebliche und mit Liebreiz umkleidete Mutter Gottes Maria!«, betete Dionysios.
Voller Inbrunst sprach Demetrios die Worte des Mönches nach. Er wollte alles tun, um seinem Bruder zu helfen.
Nachdem der Mönch das Große Muttergottesgebet gesprochen hatte, mit dem seine Malerei stets begann, erhob er sich.
»Ich weiß nicht, wie lange ich brauchen werde. Es liegt allein in der Hand der Jungfrau Maria. Aber sei unbesorgt, schon der Beginn ist eine Anleihe auf das Ergebnis.«
Demetrios, den das Gebet beruhigt hatte, schaute sich aufmerksam um. Ihn faszinierten die Werkstatt, die vielen Säckchen und Gläser und Dosen, in denen Steine und Pulver aufbewahrt wurden. In einer Glasröhre lagen Blätter, von denen sich Schnecken ernährten.
»Ich brauche ihren Speichel für die Vergoldungen. Pass auf, ich erkläre dir, wie es geht. Zunächst musst du den Speichel der Schnecke gewinnen. Setze eine Schnecke in eine Muschel oder ein Gefäß. Lege angezündetes Wachs an die Öffnung, durch die die Schnecke atmet, und sie wird gleich Speichel von sich geben. Du sammelst ihn und legst ihn auf Marmor mit etwas Alraun und Gold. Reibe es gut und füge auch etwas Gummi hinzu. Notiere so, was du willst, und du wirst staunen. Christus wird eine Rolle in der Hand haben, doch ich werde sie öffnen und werde mit goldenen Buchstaben schreiben: ›Dich, die wahrhaftige Gottesmutter, lobpreisen wir.‹«
»Das ist aus der Liturgie des Johannes Chrysostomos: ›Wahrhaftig würdig ist, Dich seligzupreisen, die Gottesgebärerin, die ehrwürdiger als die Cherubim und unvergleichlich glorwürdiger ist als die Seraphim, die unversehrt den Gott-Logos
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