Byzanz
geboren hat, Dich.‹« Ein seliges Strahlen breitete sich auf Demetrios’ Gesicht aus: »Dich, die wahrhaftige Gottesmutter, lobpreisen wir.«
»So sei es, amen!«, sagte Dionysios.
»Womit, Meister, beginnt man, wenn man die Kunst erlernen will?«, fragte Demetrios.
»Die Dialog mit Gott ist?«
Der Junge nickte.
»Wer die Wissenschaft der Malerei erlernen will, muss zuerst dazu angeleitet werden, dass er nur einfach zeichnet und sich darin übt und übt und übt. Alles beginnt mit der Nachahmung. In der Nachahmung erlernt man das Handwerk, und die Beherrschung des Handwerks macht dich frei. Wie man sich im Herzensgebet übt. Anfangs spricht man oft die Worte des Gebets, bis man sie auch leise, bis man sie auch ohne Ton sprechen kann, eben innerlich. Dann denkt man weder daran, dass man betet, noch wie man betet, sondern man betet, wie man atmet. Hat man diese Stufe erreicht, ruft man Christi Namen mit jedem Herzschlag, mit jedem Atemzug. Und so ist es auch mit dem Malen. Wenn du nicht mehr daran denkst, wie du den Pinsel führst, sondern deine Hand dem Atem folgt, dann beginnst du, wirklich und wahrhaftig zu malen. Aber in das Mysterium der Kunst wird nur eingeführt, wer es auch will und muss. Frage deinen Vater, ob ich dich unterweisen darf, dann werde ich es tun. Aber, junger Notaras, bedenke eins, es ist nur ein Handwerk, und gleichzeitig ist es die Begegnung mit dem Absoluten. Erforsche dein Herz, ob du das wirklich willst, denn wer es nur halbherzig anfängt, wird unglücklich werden. Viele gehen den Weg, die meisten aus Eitelkeit. Viele sind unberufen, die wenigsten nur kommen ans Ziel, und das Ziel selbst bietet ein herbes Glück. Überleg es dir genau, Demetrios Notaras.«
Doch der Knabe hörte schon dem Malermönch nicht mehr zu. In seinem Kopf explodierten die Farben, die er in der Werkstatt des Meisters gierig mit seinen Augen getrunken hatte.
13
Notaras-Palast, Konstantinopel
Als Eirene ins Zimmer trat, glaubte Loukas, längst gestorben zu sein und sich bereits im Himmel zu befinden. So schön konnte es auf Erden doch gar nicht zugehen! Nicht einmal in der Hagia Sophia, in der die göttliche Weisheit als Licht anwesend war. Thekla Notaras musterte Eirene kritisch. Nikephoros stellte die beiden Frauen einander kurz vor, bevor er aus dem Raum stürmte. Nach dem, was er gerade erfahren hatte, drängte es ihn, Vorkehrungen zu treffen.
Loukas bat seine Mutter, sie allein zu lassen. Thekla verließ das Schlafgemach ihres Sohnes, nicht ohne Eirene zu bitten, ihm von Zeit zu Zeit die Stirn zu kühlen.
»Nun sehen wir uns doch noch«, sagte Eirene unbeholfen, als sie endlich allein waren. Ihr Mund war ganz trocken.
Ein Fünkchen Schalk leuchtete in Loukas’ Augen auf. »Ist es dafür nicht ein bisschen früh?«
»Wofür?«, fragte sie erstaunt.
»Mein Schlafzimmer zu betreten?« Schweiß perlte auf seiner Stirn, das Reden strengte ihn an.
»Pssst«, sagte sie mit lang gezogenem Konsonanten und legte ihren ungewöhnlich langen Zeigefinger auf seine Lippen. »Pssst«, machte sie mit einem verlegenen Lächeln, setzte sich auf die Bettkante und sprach beruhigend auf ihn ein. »Ruh dich aus. Schlaf dich gesund, mein Kapitän.«
Als ihm die Augenlider wieder zufielen und er selig im Schlaf lächelte, liefen ihr heiße und auch kalte Tränen über die Wange, Tränen der Freude und der Angst. Sie wusste nicht, woher sie plötzlich kamen, denn sie gehörte ganz und gar nicht zu jenen Frauen, die nahe am Wasser gebaut waren. Sie empfand das Glück, bei ihm zu sitzen, und die Furcht vor dem Ende. Niemals, schwor sie, würde sie sich mit dem Fürsten Alexios Angelos vermählen. Und wenn, was der Himmel verhüten möge, Loukas den Verletzungen erliegen würde, wären die Tage seines Mörders gezählt. Jetzt, wo sie bei ihm saß, war ihr, als ob sie ihn schon eine Ewigkeit kannte, als gehörte er zu ihrem Leben, mehr noch, als ob er ein Teil ihres Körpers wäre. Sie verstand sich selbst nicht, sie musste sich auch nicht verstehen, das war gar nicht notwendig. Sanft strich sie eine vom Fieberschweiß verklebte Strähne aus seiner schönen, hohen Stirn. Am liebsten hätte sie ihn umarmt und an sich gedrückt. »Mein Freund ist mir ein Büschel Myrrhen, das zwischen meinen Brüsten hängt. Mein Freund ist mir eine Traube von Zyperblumen in den Weingärten von En-Gedi«, flüsterte sie ihm zu.
In ihrem Rücken räusperte sich jemand. Sie wandte sich um und entdeckte die türfüllende Gestalt des alten
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