Byzanz
würde. Wie hatte sie nur den eitlen Alexios Angelos so sträflich unterschätzen und Georgios Sphrantzes so blind vertrauen können?
Nikephoros kratzte sich am Bart. Dann befahl er Eudokimos: »Sperr ihn in eine Kiste und bring ihn auf die ›Nike‹. Ihr lauft aus und kreuzt auf dem Bosporus, bis ich euch zurückrufe. Er ist ein wertvoller Zeuge, und ich möchte nicht, dass ihm etwas zustößt.«
»Ich bin kein Kapitän«, wandte Eudokimos ein.
»Wärst du von Stande, wärst du längst einer. Vielleicht mache ich dich eines Tages dazu«, sagte Nikephoros.
Ein Leuchten trat in die Augen des alten Seemannes.
»Wer auch immer eine Nachricht oder einen Befehl überbringt, ist nur von mir geschickt, wenn er die Botschaft mit der Parole beginnt: ›Vergebung geschieht allein im Himmel.‹ Sagt er es nicht, töte den Überbringer und segle nach Rhodos. Dort wartest du auf Nachricht.«
Eudokimos schaute Nikephoros überrascht an. Er verstand den Alten nicht.
»Ich habe mich zu einem gefährlichen Spiel entschlossen, mein Freund. Frage nicht. Bürge mir für die Sicherheit des Gefangenen. Das ist deine Aufgabe! Gott segne dich.«
14
Kaiserpalast, Konstantinopel
Die Kaiserin Helena, Tochter des in der Schlacht gefallenen Despoten von Welbaschd, Konstantin Dragaš, war eine energische Frau, die es schließlich gelernt hatte, ihr wildes serbisches Blut zu zügeln. Ihrem Mann stand sie als energische Ratgeberin zur Seite und glich dessen Hang zur Philosophie und zur Theologie aus. Stets hatte sie ihren eigenen Sinn und ihren Stolz bewahrt und mit den Jahren gelernt, Manuel II. nicht öffentlich zu widersprechen, sondern mit großem Geschick im Hintergrund die Fäden zu ziehen. Sich an sie zu wenden war allerdings nicht ohne Gefahr. Denn sie vergaß und vergab nichts. Was sie aber vor allem anderen erzürnte, war, wenn sie spürte, dass man sie benutzen wollte. Sie ließ sich von niemandem, mochte er es auch noch so schlau anstellen, für seine Sache einspannen. Wer Helena um etwas bat, begab sich mit ungewissem Ausgang in ihre Hand.
Das Nachmittagslicht lag auf dem kaiserlichen Garten, der sich zwischen den Palästen ausbreitete. Zwischen Oleander und Zistrosen quollen die Beete von Blumen über. Rosen, Hyazinthen, Nelken, Lilien, Narzissen, Veilchen, Levkojen, Krokusse und Tulpen trieben Blüten oder hatten bereits wie die Krokusse ihre Kelche entfaltet. Aus dem gelben Rasen sprossen mehr und mehr kräftige grüne Halme. Die Pfauen, die eigentlichen Herrscher des Gartens, schritten würdevoll umher, schrien und schlugen dann und wann ein Rad.
Helena hielt sich zu dieser Jahreszeit gern im Garten auf. Wenn das Leben wieder zu neuer Kraft erwachte, wollte sie es sehen und spüren. Das Schultertuch eng um sich gezogen, legte sie den Kopf zurück und atmete tief ein, während sie an den Beeten entlangging, die sich in Terrassen bis unmittelbar zu den Loggien der Palastgebäude hinaufzogen. In der noch kühlen Luft lag bereits ein Hauch von Frühling.
Helena dachte gerade darüber nach, ob sie in der Mitte des Gartens einen großen Brunnen errichten lassen sollte, als Johannes ihr vom Palast entgegenkam. Sie freute sich an der würdigen Erscheinung ihres Sohnes weit mehr als an seiner geistigen Statur. Gottlob war er nicht dumm, aber er neigte zur Melancholie und ihm fehlte das Quäntchen Durchtriebenheit, das ein Herrscher benötigt. Selbst Manuel besaß es – bei allen religiösen Leidenschaften. Die größte Schwäche ihres Sohnes, die ihr in der Tat Sorgen bereitete, bestand in seiner mangelnden Menschenkenntnis. Johannes verbeugte sich vor seiner Mutter aus Ehrerbietung, aber auch, um ihr die Möglichkeit zu geben, seine Stirn zu küssen, denn sie reichte ihm nur bis zur Schulter.
»Er muss Mustafas Flucht endlich zustimmen!«
»Du spielst um dein Reich, mein Sohn.«
»Gibt es denn eine andere Lösung? Wir müssen aus der osmanischen Umklammerung heraus, sonst werden die Türken uns eines Tages erdrücken!«
»Siehst du dort die Zistrose? Sie blüht, und wir müssen sie auch immer wieder ausjäten, weil sie sonst den ganzen Garten beherrschen würde. Und weißt du, warum das so ist? Weil sie weit mehr Samen als nötig produziert und ihn über große Flächen verstreut. In alle Richtungen. So soll Diplomatie sein, Johannes«, fuhr sie fort. »Gehe in alle Richtungen, schließe keine aus. Schicke Alexios zunächst zum König von Ungarn, zum Wojewoden der Walachei, zum Despoten von Serbien, zum König der
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