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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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sie anstarrte. Sie blickte nach rechts und schaute in die kleinen, sehr wachen Augen des alten Steuermannes. Unter Eudokimos’ buschigen Brauen blitzte es. Er hatte sie erkannt und erinnerte sich an ihre kleine Unterhaltung. Mit Blicken bat sie ihn, sie nicht zu verraten, und mit einem kleinen Zwinkern versprach er es ihr.
    »Kannst du schreiben?«, fragte Nikephoros den Waffenmeister streng. Jacques le Lame protestierte langatmig und blumig und drohte Nikephoros schließlich, dass er die Rache seines Herrn zu spüren bekäme. Er hatte kaum ausgesprochen, da traf ihn auch schon die Faust des Steuermanns in der Magengrube. Er stöhnte vor Schmerz auf.
    »Lass gut sein, Eudokimos. Die Kreatur dort wird schon noch ein umfassendes Geständnis ablegen. Wer ist denn dein mächtiger Auftraggeber, vor dem wir alle erzittern sollen?«
    Als er in die kalten Augen des Hausherrn sah, begriff Jacques le Lame, dass er sich in der Falle befand. Der Fürst würde keinen Finger für ihn krümmen und alles abstreiten. Er sackte unmerklich in sich zusammen, so weit zumindest, wie es die stramm ins Fleisch schneidenden Fesseln erlaubten. Er war schon zu lange in diesem Geschäft tätig, um sich Illusionen hinzugeben. Niemand außer er selbst trug die Schuld an seiner verzweifelten Lage, denn ihm war ein Fehler unterlaufen, den er wohlweißlich immer vermieden hatte: Er hatte sich wie ein Anfänger benutzen lassen – also würde er wohl auch jetzt wie ein Anfänger sterben.
    Nikephoros Notaras trat dicht an den Gefesselten heran, so nah, dass seine Lippen beinahe die Ohren des Mannes berührten, und sprach zu ihm, wie man zu einem Menschen spricht, den man von ganzem Herzen bemitleidet, weil man weiß, welch ein Martyrium vor ihm liegt.
    »Du kennst die Regeln. Du wirst verstehen, dass ich dich nicht am Leben lassen kann. Wenn ich es tun würde, dürfte sich jeder, selbst Pack, das an Rang und Manieren weit unter dir steht, an meinem Haus vergreifen. Dein Auftraggeber, das weißt du, wird dich fallen lassen. So weit besteht also Klarheit. Eine Entscheidung aber liegt ganz bei dir. Du hast die Wahl zwischen einem schnellen oder einem qualvollen Tod. Obwohl du meinen Sohn feige ermorden wolltest – wäre es ein Duell gewesen, hätte ich kein Wort darüber verloren –, habe ich dennoch kein Interesse daran, dass man dich foltert. Aber ich stehe in der Pflicht, Schaden von meinem Haus abzuwenden. Das verstehst du doch? Es ist nichts Persönliches, es geht nur ums Geschäft. Ich kenne einen Fachmann, dessen Spezialität der Tod der tausend Tode ist. Ein talentierter und dazu noch ehrgeiziger Handwerker. Entscheide dich. Ich erfahre am Ende sowieso alles, was ich wissen will, ob du auf dem Weg dorthin nun einen Tod oder tausend Tode stirbst. Also, wer ist dein Auftraggeber?«
    »Ich bin schon zu lange in diesem Geschäft, um nicht zu wissen, dass Ihr mit allem recht habt, was Ihr sagt. Verflucht der Tag, an dem mir der Einfall kam, Frankreich zu verlassen und nach Konstantinopel zu gehen.«
    Bekümmert zuckte Nikephoros mit den Schultern, nicht aus Mitleid mit dem Fechtmeister, sondern über den ewigen, blutigen und dummen Lauf der Welt. »Es ist Schicksal. Nun tu dir einen Gefallen und verrate mir, was ich wissen will.«
    »Mein Herr ist Alexios Angelos. Er hat mit den Auftrag erteilt.«
    »Gibt es dafür Zeugen?«
    »Ja, so einen schmächtigen Gelehrten.«
    »Wie sah er aus?«
    Mitten in der Beschreibung stieß Eirene den Namen Sphrantzes aus.
    »Ja, so hat ihn Herr Alexios genannt. Das Fräulein hat recht. Er hat es inzwischen zum Geheimsekretär meines Herrn gebracht«, bestätigte der Franzose.
    Niemals hätte Eirene den Gelehrten des Verrats für fähig gehalten. Sie konnte es auch jetzt noch nicht recht glauben, weil sie kein Motiv für die Heimtücke fand. Ihr wurde übel vor dem Abgrund, in den sie blickte. Sie erkundigte sich nach den Toiletten. Ein Diener zeigte ihr den Weg durch das Labyrinth der Kisten und Säcke, die sich türmten, zu einer blauen Tür. Eirene stürmte hinein, schloss die Tür noch hinter sich und erbrach sich in das Loch, das in den Holzkasten geschnitten worden war. Aus dem Loch stank es dermaßen, dass es ihr den Atem nahm. Die Miasmen aller Länder der Welt schienen sich in dieser einen Abfallgrube versammelt zu haben.
    Sie liebte Loukas, und ihre Liebe trug die Schuld daran, dass der Mann, den sie mehr liebte als alles auf der Welt, vielleicht sogar mehr als ihren Vater, möglicherweise sterben

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