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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Lateiner, allen voran die Venezianer und ihr blinder Doge Enrico Dandolo, hatten, eigentlich von den Rhomäern im Kampf gegen die Muslime zu Hilfe gerufen, Konstantinopel überfallen und für gut fünfzig Jahre ein lateinisches Kaiserreich errichtet. Sie sahen sich zwar wie die Rhomäer als Christen, doch hatte Loukas gelernt, dass sie in manchem häretische Ansichten besaßen und ketzerischen Bräuchen folgten. Wer stellte also die größere Gefahr für das alte Reich der Rhomäer dar, die Lateiner oder die Türken, der Papst oder der Sultan? Im Einschlafen kam ihm plötzlich in den Sinn, dass er Eirene geschworen hatte, immer stark genug zu sein, um die Familie zu beschützen. Im Traum kämpfte er gegen schwarze Ritter mit Eidechsenköpfen ohne Zahl, die auf riesigen Asseln ritten. Und er war allein!
    Am nächsten Tag begab sich der Kapitän unwirsch und ungewohnt wortkarg, was seine Männer von ihm noch nie erlebt hatten, an die Spitze seiner Eskorte. Der Albtraum hing ihm in den Gliedern und er vermochte nicht, ihn abzuschütteln. Von einem blauen Himmel brannte schon am Morgen die Sonne. Wie heiß würde es erst gen Mittag sein? Um den schnellsten Weg nach Amasia, zu Murad, dem älteren Sohn Mehmeds, zu finden, stellte ihm Jakub einen wegekundigen Juden zur Seite.
    Ritt Loukas nach Osten, zog es sein Herz jedoch nach Westen. Was mochte Eirene jetzt tun? Was gäbe er dafür, in ihre Augen zu sehen, ihren Duft nach Zimt und Mandelöl zu riechen. Unvorstellbar, dass es eine Zeit ohne sie gegeben haben sollte. Wovon hatte er damals nur gelebt, wenn nicht von den Berührungen ihrer Worte und Hände? Er verfluchte den Vizekaiser, dass er ihn in das Reich der Osmanen schickte. Der Sultan befand sich im besten Mannesalter. Welchen Nutzen sollte also seine Mission bringen?
    In der größten Mittagshitze legten sie in einer kleinen Stadt, die sich an einen Wald schmiegte, eine Rast ein, um die Pferde zu tränken und sich selbst zu stärken. Loukas beobachtete einen Bauern, der sich vor dem Betreten der kleinen Moschee Nase, Mund, Achselhöhlen, Ellbogen und Füße wusch. Christen betraten, wie sie waren, schmutzig oder sauber, ihr Gotteshaus. Ein zweiter Mann, dann ein dritter, ein vierter taten es dem ersten gleich. Das beeindruckte den jungen Kapitän. Wer stark sein will, muss zuallererst Wissen erwerben. In ihm erwachte der Verdacht, dass die Mission vielleicht in Gottes Plan stand und es dabei gar nicht um Johannes ging, sondern vor allem um ihn, Loukas Notaras, darum, dass er diese neue Großmacht, die Konstantinopels Schicksal zu werden drohte, gründlich kennenlernte. Wollte Gott womöglich, dass er Kenntnisse erwarb und ein Netz von Beziehungen und Verbindungen knüpfte? Das würde diesem so scheinbar unnützen Unternehmen einen tieferen Sinn verleihen. Innerlich leistete er Johannes Abbitte, schließlich war es ja Loukas Notaras gewesen, der Kaiser Manuel empfohlen hatte, gleichen Abstand, aber eben auch gleiche Nähe zu den Türken wie zu den Lateinern zu halten. Sein Erkundungsauftrag stellte so gesehen nur die Konsequenz des Rates dar, den er selbst erteilt hatte. Der Kapitän verspürte auf einmal das unwiderstehliche Bedürfnis zu beten. Er ging in den Wald, der sich hinter der Moschee ausstreckte. Vor einer alten Pinie blieb er stehen. Die Äste rauschten im leichten Wind. Ihr Säuseln erinnerte ihn an die Beschwörungen weiser Frauen, die eine Gürtelrose besprachen. Unter dem Wispern wich allmählich der Druck des Traumes aus Hirn und Knochen. Er fühlte sich frei und beschwingt. Und dankte Gott. Er löste die Schnüre seines Hemdes, zog das kleine Kreuz an der goldenen Kette heraus und küsste es lang und innig.
    Jetzt freute er sich sogar auf die Begegnung mit Murad. Als er zu seinen Männern zurückkehrte, wunderten sie sich nicht wenig, denn er wirkte wie ausgewechselt.

28
    Auf dem Weg nach Buda, Ungarn
    Plötzlich verstand Alexios Angelos den Wald. So als hätte er hier sein ganzes Leben zugebracht. Auf einer Lichtung, die voller Wollgras, Silberdisteln, Goldwurz und vereinzelt Eisenhut war, stand ihm plötzlich ein Wolfsrudel gegenüber. Er erwog nicht einmal die Flucht, auch griff er nicht nach seinem Säbel, sondern senkte leicht den Kopf und schaute dem Leitwolf in die Augen. Er konnte das Tier spüren, seine Regungen, seinen Atem. Mit großer Ruhe starrte er in kalte gelbe Augen. Der Blickwechsel dauerte eine unbestimmte Zeit, dann zogen sich die Wölfe in den Wald zurück. Er fühlte keine

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