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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Erleichterung, weil er auch keine Anspannung empfunden hatte.
    Es trieb ihn einfach weiter. Dass es langsam dunkler wurde, registrierte er, ohne dass er es wahrnahm. Die aufkommende Kühle empfand er nicht. Ein paar rohe Vogeleier dienten ihm als Abendessen. Ein starker Ast, an dem er sich festband, bot ihm ein Nachtlager. Tief, fest und traumlos hatte er geschlafen. Im Morgengrauen erwachte er. Ein paar Himbeeren linderten Hunger und Durst. Er würde kein Essen suchen, wenn er es am Wegrand entdeckte oder es ihm über den Weg laufen würde, würde er es einfach nehmen oder erlegen. So verging die Zeit, ohne dass ihm das bewusst war. Zu Mittag erlegte er einen Hasen, abends fand er einen Bach, in dem er zwei Forellen fing. Ihr rohes Fleisch schmeckte so klar und so rein und so kalt wie der Bach, in dem sie gelebt hatten. Instinktiv folgte Alexios dem Gewässer.
    Einen Tag später stieß er auf einen Abhang, an dessen Grund sich ein Teich gebildet hatte, der von dem Bach gespeist wurde und den Sträucher und Bäume umgaben. Da überkam ihn die Sehnsucht nach einem Bad, der erste Wunsch seit Tagen. Plötzlich empfand der Fürst die Notwendigkeit, zu den Menschen zurückzukehren. Mit einer kleinen Wehmut im Herzen nahm er Abschied vom Wald.
    Er wollte schon hinabsteigen, um sich das eingetrocknete und verkrustete Blut abzuwaschen, da entdeckte er fünf Türken, die dort rasteten. Bei näherem Hinsehen erkannte er einen von ihnen. Es war der Parlamentär mit dem süßsauren Lächeln und dem Hohn im Blick. Sie suchten ihn also immer noch. Seine Vorsicht war nur allzu berechtigt. Und sie unterschätzten ihn, denn sie schienen ihre Trupps sehr klein zu halten.
    Ein böser Gedanke nahm in seinem Kopf Gestalt an. Die Rache ist mein, sagt zwar der Herr, doch der Fürst entschloss sich mit schiefem Grinsen, dem Allerhöchsten und Gerechten das Monopol streitig zu machen, denn in seiner grundlosen Barmherzigkeit war es denkbar, dass Gott, der Herr, am Ende die Vergeltung vergaß, weil er sich plötzlich wie Kaiser Manuel verständig fühlte. Alexios spuckte aus. Er verabscheute es, wenn sich die Menschen eitel in ihrer Altersweisheit bespiegelten, als trügen sie kostbare Gewänder, dabei umhüllten sie doch nur ihren Mangel an Kraft mit dem wohlfeilen Mantel, der aus Binsen genäht worden war. Törichte Sätze im Mund eines Jünglings sollten sich plötzlich im zahnlosen Schlund eines Greises zur reichen geistigen Ausbeute eines Lebens verwandelt haben. Aber Dummheit blieb nun einmal Dummheit, daran änderte auch nicht das arrogante Beharren auf das Alter, das mit mehr Einsicht in den Lauf der Welt einherzugehen schien. Er aber war nicht alt und nicht weise und nicht barmherzig, er spürte nur das Verlangen nach Vergeltung.
    Lautlos pirschte er den Abhang hinunter. Einer der Männer kam ihm entgegen. Er glitt, bevor er entdeckt werden konnte, hinter den Stamm einer Eiche. Kurz vor ihm hockte sich der Türke hin. Seit seiner kurzen Gefangenschaft kannte Alexios die Art, wie die Osmanen ihre Notdurft verrichteten. Sie trugen ohnehin eine Art Rock, der ihnen gestattete, sich einfach hinzuhocken, das Exkrement fallen zu lassen, anschließend aufzustehen, weiterzugehen und das Ausgedrückte einfach liegen zu lassen. Während der Türke also vollkommen in sich versunken den sanften Druck, den er auf die Därme ausübte, genoss und die Entspannung, die in seinen Innereien sich breitmachte, nur langsam, fast widerstrebend zuließ, schlich sich Alexios an, legte in einer Bewegung zugleich die eine Hand auf den Mund des Feindes, während die andere die Kehle durchschnitt. Er hielt den Türken fest, bis genügend Blut aus der Wunde seines Halses gesprudelt war. Das schmatzende Geräusch, das dabei entstand, berührte ihn unangenehm. Er war froh, als es aufhörte. Dieser Türke, dachte er böse, würde sich nicht mehr von seinen Exkrementen fortbewegen. »Fahr zur Hölle«, zischte er. Und dachte dabei kalt: vier, nur noch vier.
    Er versteckte sich hinter einem Haselnussstrauch und wartete. Seine Rechnung ging schließlich auf. Nach einer Weile kam der Waffengefährte des Toten, um nach seinem Kameraden zu suchen. Alexios verstand kein Türkisch, schlussfolgerte aber aus der häufigen Wiederholung des Wortes Ibrahim , dass der Türke, den er getötet hatte, den Namen Ibrahim trug. Als der Soldat den auf dem Boden liegenden Leib seines Kameraden entdeckte, wunderte er sich und schaute sich unruhig und wachsam einmal im Kreis herum um. In

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