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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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verführerisch sie wirkte, war eine Königin und die Frau des mächtigen Königs Sigismund, den er als Verbündeten gewinnen wollte. Man griff nicht nach einer Königin wie nach einem Bauernmädchen.
    Sie bückte sich nach einer voluminösen Handschrift, die links von ihnen im Regal lag, und gewährte ihm dadurch – gewollt oder ungewollt – einen tiefen Einblick in ihr Dekolleté. Die eher kleinen, dafür aber apfelrunden und festen Brüste steigerten sein Verlangen. Die Vorstellung, wie er sie umfassen würde, überflutete sanft, aber unaufhaltsam sein Denken.
    Barbara legte das Buch auf einen Tisch und schlug es auf. Die Textspalten wurden durch anmutige und sehr real wirkende Miniaturmalereien unterbrochen. Im Querformat war ein gehenkter Mann dargestellt, der nur mit einem Lendenschurz bekleidet war wie Jesus Christus am Kreuz, an den er – sah man vom Gerüst des Galgens und dem Stock, an dem er hing, ab – doch sehr erinnerte. Es folgte das Bild eines Jünglings, den ein anderer in gestreifter Hose mit einem großen Schwert enthauptete, schließlich erblickte Alexios einen Mann, der im Büßerhemd aufs Rad geflochten war. Am stärksten beeindruckte ihn die Zeichnung des Mannes, der geköpft wurde. Er trug eine rote Tunika, die etwas verrutscht war und den Blick auf das weiße Hemd freigab. Seine weißen Hosenbeine staken in braunen Stiefeln. Alexios empfand die Darstellung als zutreffend.
    »Was du hier siehst«, züngelte ihm die Königin ins Ohr, »ist das Werk des berühmten Ulmannus. Spricht er vom Leben oder von der Veredlung der Metalle, die ihren Tod zur Bedingung hat, so wie auch Christus erst auferstehen konnte, nachdem man ihn gekreuzigt hatte? Die Metalle werden gemartert, denn sie sind unrein, und sie wurden unrein durch den Sündenfall, denn Adam war erst Silber und Eva Gold. Durch den Sündenfall wurden sie unrein, zu Eisen und zu Blei.«
    Barbara lachte gurrend und, wie Alexios schien, voller Wollust.
    »Nach einem langen Läuterungsprozess, in dem die Metalle gebrannt werden, verwandeln sie sich wieder in Gold, wenn der König der Königin beiwohnt«, fuhr sie in beschwörendem Ton fort. »Man nennt es Transmutation, die Unzucht der Metalle. Bist du ein König, Alexios? Willst du einer werden? Dann folge mir!«
    Aber sie tat nichts, sie blieb einfach stehen, so als ob sie nichts gesagt hätte. Das verwirrte ihn. Hatte er sich ihre Worte etwa nur eingebildet? Mit der Unschuld eines unberührten Mädchens blätterte sie derweil weiter im Buch. »Auf dem Dach eines unterirdischen Hauses sah ich neun Adler. Die Adler behüten jeweils ein Geheimnis der Sublimation, der Reinigung der Metalle.« Sie drehte ihm den Kopf zu und flüsterte, dabei die Augen wie eine Katze schließend: »Das Feuer, das du hoffentlich hast, gibt die Gestaltung und macht alles vollkommen. Mache die Körper geistlich und den Geist fleischlich.« Ihr Blick vereiste. Sie schlug das Buch zu und vertauschte es mit einem anderen. Auf einer Seite des neuen Buches, die sie aufblätterte, erblickte er die Gestalt eines Mannes mit Lanze und Schild, der auf einem Löwen ritt. Sein Kopf aber war die Sonne mit tausend goldenen Strahlen, und er trug einen Schild mit Mondsicheln. Auf einem Greif mit einer schwarzen Mähne, die an einen Widder erinnerte, saß eine nackte Frau wie in einem Damensattel, sodass ihre Vulva sichtbar wurde. Er spürte Hitze in seinen Adern aufsteigen. Auch die Frau auf dem Bild trug Lanze und Schild, allerdings mit dem Emblem der Sonne. Ihr Kopf war hingegen der silberne Vollmond. Sol und luna  – im Lateinischen war die Sonne männlich und der Mond weiblich.
    Mit trockenem Mund las Alexios laut: »Die Frau löse den Mann auf und dieser mache sie fest. Das heißt: Der Geist löst den Körper auf und macht ihn weich und der Körper fixiert den Geist. Senior spricht: Ich bin ein heißer und trockener Sol, und du, Luna, bist kalt und feucht. So wird kopuliert und zusammengegeben werden …«
    Sie stöhnte versonnen, wie nebenbei. »Ja, aber bilde dir keine Schwachheiten ein.«
    Damit ließ sie ihn stehen. Verblüfft schaute er ihr nach, unschlüssig, ob er es wagen sollte, ihr zu folgen. Hatte sie ihn eingeladen? Wollte sie ihn auf die Probe stellen?
    In diesem Zwiespalt traf ihn der Diener an, der ihn wieder in sein Zimmer bringen sollte. Hatte er zu lange gezögert oder sich richtig verhalten? Bald schon würde er es erfahren, so hoffte er. Er hatte keine Zeit für Spielchen, obwohl es ihn immer mehr

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