Byzanz
abgenommen.«
Barbara lächelte vergnügt. »Und ich dachte schon, Ihr wäret als Waldschrat auf die Welt gekommen.«
»Weiß Gott nicht«, antwortete der Fürst in einer Mischung aus Grimm und Heiterkeit.
34
Notaras-Palast, Konstantinopel
Tausend Meilen entfernt von Alexios schlug am gleichen Morgen Loukas die Augen auf und verlor sich sofort in Eirenes Mandelaugen wie in der Tiefe eines Gefühls.
»Beobachtest du mich schon lange?«, fragte er nach einer Weile.
»Lange? Ich habe lange auf dich warten müssen. Aber jetzt bist du endlich da. Jetzt gehörst du mir!« Sie küsste ihn. »Es ist der erste Tag unserer Ehe«, sagte sie mit einem Zweifel in der Stimme, als müsse sie sich immer wieder bestätigen, dass ihr Glück kein Traum, sondern Wirklichkeit, dass Loukas tatsächlich zurückgekehrt war und sie geheiratet hatte. Noch traute sie dem Glück nicht über den Weg.
»Der erste Tag von hoffentlich sehr vielen«, antwortete er. »Ich habe eine Überraschung für dich.«
»Eine Überraschung, noch eine Überraschung?« Ihr ganzes Gesicht strahlte.
»Eudokimos erwartet uns auf der ›Nike‹. Du bist mit einem Kapitän verheiratet. Also musst du mich aufs Meer begleiten.«
Eirene war überglücklich. Er hatte daran gedacht! Er hatte nicht vergessen, wie sehr sie sich wünschte, mehr kennenzulernen als Konstantinopel und nicht nur Reiseberichte zu lesen oder anzuhören, sondern die Welt mit eigenen Augen zu sehen.
»Heute kreuzen wir nur ein wenig hin und her, um festzustellen, wie seetüchtig du bist. Dann sehen wir weiter.« Er küsste sie, dann stand er auf. »Die Eltern wollen mit uns frühstücken, und meinem Vater knurrt, wie ich ihn kenne, bereits der Magen. Zumindest haben mich seine knurrenden Eingeweide geweckt. Komm, steh auf, du Langschläferin.«
»Ich und eine Langschläferin?«, rief Eirene und schleuderte mit beiden Händen ihr großes Kissen nach ihm. »Wer hat denn hier wen im Schlaf beobachtet?«
Loukas fing das Kissen im Flug auf, legte es auf den Stuhl neben sich und sagte: »Na warte!«, dann war er bereits wieder bei ihr im Bett.
Glücklich und strahlend erschienen sie am Frühstückstisch, der reich gedeckt war. Selbst Nikephoros, der sich angewöhnt hatte, sehr früh zu essen und anschließend sofort mit der Arbeit zu beginnen, geduldete sich den Frischvermählten zuliebe.
Auch der alte Seeräuber war nur kurz zum Schlafen gekommen – schließlich hatten sie bis in die Morgendämmerung hinein gefeiert. Die Hochzeit seines ältesten Sohnes stellte ein gesellschaftliches Ereignis von besonderer Bedeutung dar. Alles, was Rang und Namen hatte, war zu der pompösen Zeremonie in der Hagia Sophia erschienen – etwas zu viel des Guten, fand das Brautpaar. Doch Nikephoros hatte sie auf ihre Verantwortung für das Handelshaus hingewiesen und darauf, dass die Hochzeit eben nicht nur eine persönliche Angelegenheit war, sondern auch eine gesellschaftliche. Es bot der Familie die Möglichkeit, die eigene Stärke und Bedeutung zu demonstrieren, denn so weit hatten es die Notaras bereits im gesellschaftlichen Leben der Stadt gebracht, dass die Einladung eine Ehre für den Eingeladenen darstellte. Wer keine Einladung erhielt, zählte nicht zu den wichtigen Leuten in der Stadt. Nikephoros freute sich an der Liebe der beiden – dieses private Gefühl sollten sie leben und genießen. Doch zugleich galten sie etwas in der Öffentlichkeit und trugen daher auch eine öffentliche Verantwortung, die sie im Interesse ihrer künftigen Kinder wahrzunehmen hatten. Nur einen Fehler, wie er so vielen unterlief, durften sie nicht begehen: das Öffentliche mit dem Privaten, den Schein mit der Wirklichkeit, die Wirkung mit der Quelle zu verwechseln. Die öffentliche Wirkung war der Hebel, den man im gesellschaftlichen Verkehr ansetzte, aber nicht man selbst.
Und so hatten sie das Kunststück fertiggebracht, ihre Hochzeit als offizielles Ereignis zu feiern und dennoch privat und unbeeindruckt vom äußeren Gepräge die Vermählung als Fest ihrer Liebe zu erleben. Auf diese Weise war die Heirat zwischen Eirene Palaiologina und Loukas Notaras zu einem Ereignis geworden, zu dem ganz Konstantinopel erschien, und zugleich zum Fest zweier liebender Herzen. Obwohl die beiden Frischvermählten sich aus begreiflichen Gründen alsbald von der Feier zurückgezogen hatten, um nach der langen Trennung endlich für sich zu sein und die Nähe des anderen zu genießen, dauerte die Feier bis in die frühen
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