BZRK Reloaded (German Edition)
bewegten sich langsam, und die Leute in Washington – die selbstgefälligsten Menschen der Welt – hasteten an ihnen vorbei. Falls ihnen jemand folgte und ebenso langsam ging wie sie, würde es sofort auffallen, deshalb gelangte Farid, nachdem er sich umgeblickt hatte, zu der Überzeugung, dass alles in Ordnung war.
»Das ist ziemlich gefährliches Zeug«, sagte die Frau.
»Ach, wirklich?«
Sie liefen einen Häuserblock weiter, an Geschäften vorbei, überquerten die Straße mit den stets ungeduldigen Autofahrern.
»Du musst alles löschen«, sagte die Frau.
»Wovon sprichst du?«
»Lösch es. Verbrenn es. Vergrab es in einer tiefen Grube und vergiss, dass du es jemals gesehen hast.«
Farid dachte darüber nach und runzelte die Stirn. »Moment mal. Wie bitte? Wir sollen die Sache unter den Tisch kehren?«
Die Frau schnitt ihm eine zynische Grimasse. »Wir sind hier in Washington, Junge. Diese Stadt besteht praktisch aus Dingen, die unter den Tisch gekehrt werden.«
Farid blieb stehen, ein paar Schritte später tat es auch die Frau.
»Ja, aber bei uns geht es nicht darum, Dinge unter den Tisch zu kehren. Bei uns geht es darum, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. Ich meine, das ist eine heftige Sache. Das ist totaler Wahnsinn.«
»Glaubst du, das wäre das erste Mal, dass die Präsidentin jemanden ermordet hat? Sie schickt täglich Drohnen aus, um Menschen zu töten. Du bist Moslem, du solltest das wissen. Schau, diese ganze Sache muss wieder begraben werden.« Sie wedelte mit ihrer Zigarette, die eine Rauchfahne hinter sich herzog. »Und du musst mir sagen, wer sonst noch von diesem Hack weiß.«
Farid schüttelte den Kopf und wünschte sich, er hätte noch eine Zigarette. »Nein, nein, nein. Hier geht es um mehr. Ich bin jetzt richtig drin im System von AFGC. Diese Typen sind tief in eine krasse Nanotechsache verwickelt.«
Er nahm ein Zucken in ihrem Gesicht wahr.
»Sie bauen Nanoroboter. Schon mal was von ›gray goo‹ gehört?«
»Klingt wie der Name einer Band.«
Er starrte sie an. Was sie gesagt hatte, klang wie ein Witz, aber ihr Blick stimmte nicht mit ihrem Tonfall überein. Er kannte sie nicht. Angeblich wurde sie von jemandem weiter oben in der Hierarchie von Anonymous geschickt, aber konnte er sich da sicher sein?
Und sie riet ihm, sich zurückzuziehen? Dateien zu zerstören? Namen preiszugeben?
»Ich glaube, ich will nicht mehr mit dir reden«, sagte Farid.
»Was ist los? Leidest du unter Verfolgungswahn? Geh noch einen Häuserblock mit mir. Lass uns das klären.«
»Was befindet sich denn einen Häuserblock von hier?«, wollte Farid wissen.
»Okay, dann stehen bleiben«, sagte sie mit gänzlich anderer Stimme. Mit der Stimme einer Polizistin, im Befehlston.
Plötzlich wurde sich Farid zweier Männer bewusst, die hinter ihm rasch die Straße entlangkamen. Mit quietschenden Reifen hielt neben ihm eine schwarze Limousine.
Er handelte aus reinem Instinkt. Er stand direkt vor einem Buchladencaf é und stürzte zur Tür. Die Frau fluchte und rannte ihm hinterher, aber er hatte Glück, denn ein Kunde, der gerade aus dem Laden trat, hielt ihm die Tür auf und versperrte seiner Verfolgerin dabei unabsichtlich den Weg.
Dadurch gewann er nur ein paar Sekunden, aber das war genug.
Panisch blickte er um sich und suchte nach einem Ausweg, einer Waffe, einem Retter, nach irgendetwas. Das Caf é war voll besetzt mit den üblichen, Latte trinkenden, auf ihre Laptops starrenden Typen.
»Hören Sie mir zu! Alle! Mein Name ist Farid Berbera. Ich bin libanesischer Staatsbürger und genieße diplomatische Immunität. Diese Frau versucht mich zu töten.«
Er deutete auf die Frau, der zwei Männer folgten. Alle drei waren nun deutlich als Geheimdienstagenten zu erkennen.
»Die Armstrong Fancy Gifts Corporation baut Nanoroboter. Sie ist im Besitz eines Videos, das in den Augen der Präsidentin aufgenommen wurde und zeigt, wie sie ihren Mann ermordet!«
Er rechnete nicht damit, dass man ihm glaubte. Er glaubte es ja selbst kaum. Aber er rechnete damit, gehört zu werden, und damit, dass man darüber twittern und Nachrichten schreiben würde.
»Sie wollen verhindern, dass wir es herausfinden«, rief Farid. Er warf ergeben seine Hände in die Luft.
Die Frau, die keinen Bob-Marley-Rucksack mehr trug, zögerte verdutzt, und dann erkannte Farid den Grund ihres Zögerns: Ein Beamter der Washingtoner Polizei holte sich gerade einen Kaffee im Pappbecher und hielt eine Tüte mit Gebäck in der
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