BZRK Reloaded (German Edition)
und Stangen, die an der Decke befestigt waren, damit sie sich festhalten konnten, wenn sie zur ebenfalls speziell angefertigten Toilette und wieder zurück mussten.
Sie blieben an Bord des Flugzeugs, während es im russischen Nowosibirsk aufgetankt wurde. Sie stiegen erst aus, als das Flugzeug gelandet und in einem Hangar des Hongkonger Flughafens geparkt war.
Die Zwillinge waren mit zwei Bodyguards gereist: mit einem persönlichen Assistenten namens Samuel und einer älteren Vietnamesin namens Ling. Ling war ein Fall für sich – uralt, runzlig, untersetzt und erstaunlich kräftig. Es bestand keinerlei Notwendigkeit, Ling zu verdrahten, um ihre Loyalität sicherzustellen – die Zwillinge verfügten über ihren Leib und ihre Seele, nachdem sie die kommunistischen Behörden in Hanoi mit Bestechungsgeldern dazu gebracht hatten, Lings Sohn aus der Haft zu entlassen.
Auf dem Flughafen stiegen Charles und Benjamin in einen Hubschrauber um. Auch dieser war speziell ausgestattet. Er gehörte zum Puppenschiff und war ihnen entgegengeschickt worden, um sie abzuholen. Das einzige Problem mit dem Hubschrauber war, dass er zu klein war, um alle Leibwächter aufzunehmen. In ihm hatten nur die Zwillinge, Ling und ein Mitarbeiter von AmericaStrong Platz, den alle nach seiner Heimatstadt Altoona nannten.
Die Rotoren beschleunigten, und der Helikopter schwebte ruckelnd durch das Tor des Hangars nach draußen.
Das Wetter war hässlich geworden, mit tief hängenden Wolken und heftigen Windböen. Regen und Sturm standen bevor. Die Voraussetzungen waren jetzt schon nicht gerade ideal, um auf einem schwankenden Schiff zu landen. Aber sie waren nicht so weit gekommen, um jetzt aufzugeben.
»Unsere Freunde waren Schaufensterpuppen«, spuckte Benjamin voll Bitterkeit aus.
»Hör mal, Bruder, du musst gegen diese Erinnerungen ankämpfen. Sie hat dich verdrahtet, diese McLure-Göre. Das weißt du doch. Du weißt, dass diese Erinnerungen nur deshalb so in den Vordergrund treten, weil sie dich verdrahtet hat.«
Benjamin starrte stumpf vor sich hin. »Meine beste Freundin war Poppy. Erinnerst du dich an sie, Bruder? Ich habe mir vorgestellt, dass ich mit ihr ins Kino ausgehe. Mit einer Schaufensterpuppe. Mit einem Ding. Ein Ding aus einem Metallgestell und einem Gipsüberzug mit einer gelben Perücke auf dem Kopf.«
Der Hubschrauber hob mit einem Ruck ab, der ihnen den gemeinsamen Magen hob. Die Stadt stach mit Hunderten beleuchteter Wolkenkratzer nach ihnen. Dann kam der belebte Hafen. Und schließlich schwebten sie über grauem Wasser.
»Ich wollte ihr unters Kleid schauen«, sagte Benjamin. »Einer Schaufensterpuppe.«
»Um Himmels willen, lass gut sein. Wir sind nicht mehr diese Kinder, Benjamin.« Die Worte schmerzten. Die Erinnerungen schmerzten. Sie waren mehr als schmerzhaft, sie waren beschämend. Erniedrigend.
»Wir sind nicht mehr diese Kinder, Charles? Und trotzdem fliegen wir zum Puppenschiff. Und was ist das Puppenschiff anderes als die Puppenstube, nur mit anatomisch korrekten Puppen?«
»Die ganze Welt wird sich verändern, Benjamin. Wir verändern die Welt. Verstehst du das? Ich weiß, dass du es verstehst. All das, all die … Vergangenheit wird nur ein Vorspiel sein, und alles wird …«
»Wir werden dennoch bleiben, was wir sind, oder etwa nicht?«
»Wenn sich die Welt ändert, wie können wir dann die Gleichen bleiben?«, fragte Charles. »Es wird besser werden, Benjamin. Es wird besser werden. Bald schon. Jetzt kommt erst mal das Puppenschiff.«
Das Puppenschiff war aus philippinischen Gewässern in die Gewässer Südchinas eingedrungen. Minako in der Stahl-Nickel-Kugel Benjaminias wusste nichts davon. Alles, was man im Inneren dieses schaurigen Dampfkochtopfs mitbekam, war, dass das Heben und Senken des Meeres in kürzeren Intervallen erfolgte – kleinere, schnellere Wellen, und manchmal fiel das ganze Schiff in ein Wellental und bekam dann einen solchen Stoß ab, dass die Leute sich an die Geländer klammerten.
»Sie kommen!«, dröhnte es aus den Durchsagelautsprechern. »Die Großen Seelen sind gestartet und auf dem Weg hierher!«
Die Sprache des Puppenschiffs war Englisch. Doch Minako hörte Freuden- und Entzückensrufe in einem halben Dutzend Sprachen. Das Mädchen unter ihr – sie hieß Fatima – sprach Spanisch, und obwohl sie schon sechs Monate auf dem Puppenschiff war, hatte sie kaum Englisch gelernt.
Was sie beherrschte, waren vor allen Dingen die Slogans der unzähligen
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