BZRK Reloaded (German Edition)
herum, in dem jemand ein einzelnes Osterei vergraben hatte.
Blindlings stocherte sie mit einem Stecken in diesem Feld herum, in der Hoffnung, das Ei zu finden.
Nijinskys Handy klingelte. »Ja.«
Eine Pflanze, die er aus einem Avocadokern hochgezogen hat. Sie ist eingegangen, als er aus einem Familienurlaub zurückkommt. Trauer. Die vermag er zu empfinden.
Als Erwachsener bekommt er eine Grippeimpfung. Er mag das schmerzhafte Stechen.
»Okay«, sagte Nijinsky und legte auf. »Wilkes sagt, dass Vincent reagiert, er bewegt Mund und Augen. Wie … Egal, mach weiter.«
Plath hatte nicht im selben Zimmer mit Vincent sein wollen. Das hätte es irgendwie noch schlimmer gemacht.
In einem düsteren Klassenzimmer, das Pult ganz links außen, ein Papierkügelchen trifft ihn seitlich am Kopf.
Ein Zug aus dem Bong, die Lungen schmerzen, endloser Husten. Jemand lacht. Er fühlt sich seltsam.
Anya Violet, nur in einem roten Slip, nähert sich ihm auf nackten Füßen. Er ist äußerst erregt. Es tut schon fast weh.
»Das ist noch nicht lange her«, flüstert sie, peinlich berührt von dem, was sie sieht. Aber ja, jetzt ist sie eine Voyeurin, denn sie fragt sich, wenn auch nur flüchtig, ob Keats sie auch so sieht, ob er bei ihrem Anblick dasselbe empfindet.
Sie könnten es herausfinden. Irgendwo weit weg von hier. Am Strand, an dem mythischen, irrealen Strand. Und was wäre das dann, fragt sie sich, ein Date? Ein richtig langes Date? Sie, die sich weigerte, auch nur darüber nachzudenken, sich zu verlieben, dachte nun darüber nach, sich mit Keats aus dem Staub zu machen? Für den Rest ihres Lebens?
Ihre Bioten, die zwischen den einzelnen Proben Millimeter zurückgelegt hatten, bewegten sich nun kaum noch. Waren noch frischere Erinnerungen in der Nähe?
Sie setzte eine Markierung an die Stelle, die sie gerade punktiert hatte. Dann machte sie rings um diesen Punkt weitere Stichproben.
Ein Boot? Eine Fähre. Eine Fähre, die sich durch dichten Nebel schiebt. »Michael Ford. Dreh dich nicht um.«
Plath erstarrt.
Vincent hat die Ellbogen auf der eisigen Reling abgestützt. Seine Haut ist klamm vom Nebel, und seine Haare hängen feucht herab. Rechts von ihm, aber weit genug entfernt, sodass sie nicht versteht, was gesprochen wird, sitzt ein Mädchen in Radlermontur. Das Mädchen hat Vincent den einen und anderen ungerührten und zugleich interessierten Blick zugeworfen.
Er hat zu ihr hinübergesehen, als sie sich hinab gebeugt hat, um ihren Schuh neu zu knüpfen. Er kann Verlangen empfinden. Er will, obwohl er weiß, dass es ihm keine richtige Freude bringen wird.
Er vermag zu begehren.
Aber er ist aus einem bestimmten Grund hier, und die Radlerin mit den langen Beinen spielt keine Rolle.
Er spürt, dass sich ihm jemand nähert. Er vermutet, dass es nun so weit ist.
Jemand flüstert: »Michael Ford.« Keine Frage, eine Feststellung. »Dreh dich nicht um.« Ein Befehl. Es wird vorausgesetzt, dass er Folge leistet.
Neugier. Auch Neugier kann Vincent empfinden. All seine anderen Gefühle sind intakt. Nur das eine fehlt: Freude. Er empfindet Furcht, er empfindet Zuneigung, er empfindet Hass.
Kann er lieben?
Plath öffnete die Augen, und Anya starrte sie an. Ihre dunklen Augen waren feucht vor Bedürftigkeit.
Vincents Geist sucht nach Hinweisen. Ist die Gestalt im Nebel groß oder klein? Dick oder dünn? Europäisch, afrikanisch oder asiatisch …
»Wer bist du?«, fragt Vincent.
»Lear«, sagt die nicht identifizierbare Stimme.
»Der wahnsinnige König, der von seinen eigenen Kindern verraten wurde.«
»Was Fliegen sind / Den müßigen Knaben, das sind wir den Göttern; sie töten uns zum Spaß.« Das ist offensichtlich ein Zitat aus irgendwas. Plath kennt es nicht.
»Du kämpfst gegen sie?«, fragt Vincent.
»Gegen wen? Die Götter?«
»Die Zwillinge. Nexus und die Armstrongs«, sagt Vincent. »Die ganze Bande.«
»Was willst du eigentlich wirklich wissen, Michael? Dieses eine Mal darfst du eine Frage stellen. Danach nimmst du Befehle entgegen. Eine Frage.«
Vincent wartet. Er weiß eine Frage, aber er ist sich nicht sicher, ob er sie stellen soll. Er ist sich nicht sicher, ob Lear nicht einfach weggehen wird, nachdem er die Frage gehört hat.
Er will nicht, dass Lear weggeht. Das fällt ihm nun auf. Das will er. Vincent will diese … Bestimmung.
»Bist du gut oder böse?«, fragt Vincent.
»Wir, Michael. Wir alle zusammen. Wir«, berichtigt ihn Lear. »Wir, Michael, sind gut und böse. Aber wir sind
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