BZRK Reloaded (German Edition)
er einmal wütend geworden war, als er in der Schule einen Film über die Gräuel im Kongo gesehen hatte, und dass er geschworen hatte, die Mistkerle umzubringen, die dafür verantwortlich waren. Er war drei Tage lang der Schule verwiesen worden wegen unziemlicher Reden.
Einmal war sie zu der Stelle gekommen, an der er seine erste Erfahrung mit der Nanowelt gemacht hatte. Doch die Erinnerung hatte sie nirgendwohin geführt.
»Ich bin müde«, sagte sie. Sie trug eine Schlafmaske und hatte die Füße hochgelegt. Neben ihr stand griffbereit eine Limonade mit einem abgeknickten Strohhalm.
»Wir sind alle müde«, blaffte Wilkes. Wilkes hatte für Nijinsky übernommen. Er war mit Anya hinaufgegangen, um Vincent zu beobachten, den wirklichen, leibhaftigen Vincent oben in der Kirche. »Ophelia ist todmüde.«
Das ergab zwar keinen Sinn, aber es brachte Plath zum Schweigen.
Nach einiger Zeit brachte Plath Vincents Erinnerungen mit ihren eigenen durcheinander. War es Vincent oder sie selbst, die auf dem Pony geritten war? War es sie oder Vincent, der den Kletternden Giftsumach berührt hatte? War es Vincent oder sie, die Nijinsky angeheuert hatte?
Die erste blutige Nase.
Das erste Bad als Baby.
Das erste Mal, als er seine Hand am Schenkel eines Mädchens nach oben geschoben hatte.
Das erste Mal, als er aus seinem Kinderbett gefallen war.
Das erste Mal, als er Popcorn gegessen hatte.
Dann plötzlich sah sie sich selbst durch Vincents Augen. Er hatte sie attraktiv gefunden. Auf der Makroebene errötete sie. Sie war in der Badewanne gewesen, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte.
Sie sah Kerouac. Keats’ Bruder, wie er in Vincents Erinnerungen lebte. Er war Keats nicht besonders ähnlich. Er war sportlicher, nicht größer, aber muskulöser, rau. Seinen Augen fehlte Keats’ Zartheit. Sie hätte nie mit Kerouac davonlaufen wollen.
Sie hatte sich Kerouac nie mit einem Lächeln vorgestellt, lachend, aber Kerouac hatte das Leben genossen. Er erzählte Vincent eine Geschichte, wie er seinem Bruder beigebracht hatte, den Torwart zu spielen. Und er lachte. Und Vincent hatte sich gefragt, wie es sich wohl anfühlte, wenn man sich für jemand anderen freute.
Plötzlich sah Plath Bilder, die nur digital sein konnten. Sie sah gedrungene Videospielfiguren mit Schwertern.
Und dann ein aufregender Ritt durch bizarre, fremdartige Landschaften.
Das Eintauchen in eine Art Legowelt.
Das Durchschreiten magischer Portale.
Spiele. Spiele, eine schwindelerregende Menge von Spielen. Gamecontroller, Touchscreens, rennen und springen und … keine Freude, nicht bei Michael Ford, der später Vincent heißen würde. Aber ein Aussetzen des Fremden, das ihn immer umgab. Und einen Adrenalinschub. Einen ziemlich heftigen Adrenalinschub.
Da waren Leute – nur Namen auf einem Online-Board, aber es verbargen sich Menschen dahinter –, und Vincent kannte sie, kannte ihre Stärken und Schwächen, und sie kannten ihn.
Er war nicht mehr nirgendwo.
Und er war jemand. MikeF31415.
»Wilkes«, sagte Plath. »Google mal MikeF31415.«
»Warum?«
Plath antwortete nicht, aber sie hörte das leise Geräusch von Fingern auf einem Touchscreen.
»Es gibt viele Treffer«, sagte Wilkes. »Spieleseiten.«
»Diesen Nick habe ich schon einmal gesehen«, sagte Billy the Kid, der sich die Treppe heruntergeschlichen hatte, nachdem er oben von allen ignoriert worden war. Er sah Wilkes über die Schulter. Er klang beeindruckt. »Boah. Boah.« Eine Pause, dann, mit tieferer Stimme: »Boah, der Typ ist gut. Echt mal, richtig gut. Respekt.«
Spiele und noch mehr Spiele. Diese winzige Ecke von Vincents Gehirn war eine Bibliothek voller Spiele. Und mit ihnen erlangte er Gefühle. Keine Lust, aber auch keine Taubheit. Michael Ford alias Vincent hatte etwas gefunden, das ihm etwas bedeutete.
Und dann, da waren sie: Bug Mans Nanobots.
Sie rasten auf Vincents Bioten zu, die mittleren Räder aufgesetzt, um schneller zu sein. Der explodierende Kopf, Bug Mans Logo, zeichnete all seine Nanobots aus. Davon sah man nur blitzartige Momentaufnahmen.
Plath lief es bei dem Anblick kalt über den Rücken. Sie erstarrte, schob die Nadel nur ein ganz klein wenig nach links, nach rechts und wieder zurück in die Mitte.Sie sah die ausgerissenen Beine von Vincents Biot, die vom Gehirnwasser weggeschwemmt wurden.
Schlimmer, viel schlimmer noch, sie spürte Vincents Angst.
»Äh«, sagte sie.
»Was?« Obwohl sie gelangweilt war, hörte Wilkes den veränderten Tonfall.
»Hol
Weitere Kostenlose Bücher