Cademar-Günstling der Magie
langsam den Kopf. In seinen Augen lag eine unerwartete Amüsiertheit. »Natürlich werde ich das«, sagte er belustigt. »Oder glaubst du ernsthaft, ich könnte mich auflehnen … oder von hier weggehen?«
Malkom fühlte sich ertappt und zwang sich, unschuldig den Kopf zu schütteln.
Holbrach straffte sich, klappte das Buch vor sich zu. »Räum alles weg«, sagte er, »die hier werde ich in nächster Zeit nicht brauchen.«
Bald schien der Frühling bereits die Oberhand gewonnen zu haben. Das Eis des Meeres war geschmolzen, und es lagen nur noch Schneereste in den schattigen Innenhöfen der Lichtfeste. Da kehrte eines Nachts der eisige Hauch des Winters zurück über Asugol, und Holbrach, frustriert von seinen vergeblichen Versuchen, etwas über die Manuskristalle zu erfahren, sprach wieder zu sehr dem Wein zu. Es war unmöglich, einen Manuskristall zu zersplittern. Die einzige Art der Beeinflussung war die Verschmelzung mehrerer Manuskristalle zu einer Kristallkugel – ein Vorgang, für den eine ungeheure Menge Magie aufgewendet werden musste. Holbrach verzweifelte daran, sonst überhaupt nichts mit den Manuskristallen anfangen zu können.
Malkom entging nicht, dass Holbrach seine Aufgabe hasste. Bei seinen bisherigen Studien hatte er seinen Famulus immer mehr einbezogen, auch bei der anatomischen Forschung, doch nun blieb Malkom in der Bleibe, während Holbrach im Kellerraum arbeitete. Allabendlich brachte Malkom blutbefleckte Gewänder seines Herren in die Wäscherei, welche beredt von der Arbeit sprachen, die Holbrach verrichten musste.
Holbrach saß in seinem Lehnsessel, erschöpft von seinem Tagwerk, leerte den Becher und ließ sich von Malkom nachschenken. »Es wird nicht funktionieren«, sagte er düster. »Der Bewahrer will, dass wir Dinge mit dem Manuskristall vollbringen, die unmöglich sind.«
Malkom erwiderte nichts, doch er brannte darauf zu hören, was diese Dinge waren.
»Wir sollen herausfinden, wie man einen Manuskristall verpflanzen kann«, sagte Holbrach schließlich.
»Verpflanzen?«, fragte Malkom entsetzt.
»Ich versuche seit Tagen, einem armen Geächteten einen Manuskristall einzusetzen, in seine bislang unversehrte Hand, doch es führt nur zu Schmerzen. Ein Manuskristall ist offenbar mit demjenigen verbunden, in dessen Hand er wächst. Aber in der Hand eines Fremden …« Er hob seine Rechte vors Gesicht und drehte sie langsam hin und her. In Holbrachs Manuskristall war nur ein verschwindend schwaches Glimmen. »Wir wissen nicht, was die Manuskristalle eigentlich sind, Malkom. Der Bewahrer glaubt, wir müssten nur mit ihnen herumexperimentieren, bis wir auf das gewünschte Ergebnis stoßen, aber das wird niemals zum Erfolg führen. Ihr Wesen müssen wir erkunden – das ist es, was ich all die Jahre versucht habe, aber –« Holbrach vollführte schwungvoll eine wegwischende Bewegung und ließ die Hand kraftlos fallen. Sie schlug auf die Holzlehne, und der Manuskristall in seiner Hand ließ ein knallendes Geräusch ertönen. »Bei unseren Versuchen, den Probanden fremde Manuskristalle zu verpflanzen, sind Dinge geschehen, die wir nicht verstehen – die Kristalle färbten sich rot, sie begannen zu summen … als würden sie wütend darüber werden, mit einem lebenden Träger verbunden zu werden, zu dem sie nicht gehören. Wir konnten die Kristalle entfernen, bevor etwas Schlimmes geschah … und ich möchte gar nicht herausfinden, was passiert, wenn man sie dort belässt.«
Malkom betrachtete sorgenvoll die Miene von Holbrach. Der alte Magier war am Ende seiner Kräfte und am Ende seiner Möglichkeiten – und fürchtete sich davor, dem Bewahrer alles zu offenbaren. Wieder trank Holbrach seinen Becher leer und winkte Malkom heran, damit er nachschenkte.
Während dieser den Wein aus der Flasche in den Becher goss, fragte er leise: »Würdet Ihr nicht doch weggehen, wenn Ihr könntet? Wenn es wirklich eine Möglichkeit gäbe?«
Holbrach starrte ins Leere. Hatte er die Frage überhaupt vernommen?
»Es gilt, was ich schon sagte, Malkom.« Nun schaute er seinem Famulus in die Augen. »Ich bleibe, was auch immer geschieht. Doch für andere … für jüngere … die sollten jede Möglichkeit nutzen.«
Malkom nickte. Und nickte abermals, voll Dankbarkeit. Der alte Magier hatte ihm seinen Segen gegeben.
Der eisige Wind wurde stärker, sein Pfeifen war vielstimmig von draußen zu hören.
»Dies ist ein langer, kalter Winter«, sagte Holbrach und nippte.
Frühling
»Es ist soweit«,
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