Cademar-Günstling der Magie
Dämmerschlucht.«
Verrat
Der erste Halt fand auf einer windumtosten Klippe statt. Die Kutschen waren fast die ganze Zeit über auf einem Weg direkt an der Küste geritten, hatten sich nur über kurze Strecken im Landesinneren befunden. Diesen Weg war Malkom mit seinem Vater schon oft entlang geritten. Wo er wohl gerade war? Er war immer wieder von seinem Posten im Lager von Halburg abberufen worden, hatte Marschbefehle in alle Teile Asugols erhalten und war selten zu Hause gewesen. Ein Magier nahm Malkom und Flana beiseite, holte eine Kiste von einer der Kutschen herab und öffnete sie. »Dies ist die zeremonielle Ausstattung des Generals«, sagte er.
»General?«, fragte Flana.
»Famulus Cademar«, gab der Magier in einem Tonfall zurück, als schildere er eine Selbstverständlichkeit. »Für die Dauer seines Auftrags hat Kolom ihn zum General ernannt. Damit unterstehen alle Magier und auch die Garden dem Befehl des Famulus. Und ihr müsst dafür Sorge tragen, dass er auch wie ein General aussieht.«
Fast eine Stunde verging, in der Malkom lernte, wie er den Schild zu polieren und den schweren Krummsäbel zu schärfen hatte. Auch ein Kettenhemd musste er säubern und beschädigte Ösen ausbessern. Er hasste diese Arbeit von ganzem Herzen. Flana saß bei ihm und nähte schweigend und konzentriert am Generalsgewand.
Von Cademar selbst war nichts zu sehen, und dann ertönte schon wieder das Signal zum Aufbruch.
Sie ritten bis spät in die Nacht hinein.
Und wieder musste Malkom jede Hoffnung begraben, eine Gelegenheit zur Flucht nutzen zu können. Denn die Magier nächtigten nicht auf freiem Feld, sondern kehrten in einem einsamen Gasthaus ein. Als fürchteten sie einen nächtlichen Überfall, wurden Wachen abgestellt. Malkom ergab sich in sein Schicksal und stimmte in das vielstimmige Schnarchen mit ein.
Die Reise durch die Westlande zur Dämmerschlucht dauerte fünf Tage und Nächte. Unterwegs versuchte Malkom, von dem Magier, der ihn eingewiesen hatte, mehr über diesen Auftrag zu erfahren, den Cademar ausführen sollte, doch er blieb verschwiegen.
Von Cademar sah Malkom auf der Reise wenig. Wenn die beiden miteinander zu tun hatten, dann nur, damit Malkom ihm beim Anpassen der Generalskluft half, was er im Beisein anderer Magier machen ließ. Sie hatten keinen Augenblick unter vier Augen.
Malkom hatte all die Zeit gedacht, dass er zu Cademar durchdringen könnte, ihn von dem Wahnsinn zu überzeugen, auf den er sich einließ, doch wenn er ihn beobachtete, wie er Magiern Befehle erteilte, die doppelt so alt wie er waren und diese alles unterwürfig ausführten, war ihm klar, dass es ihm nicht gelingen konnte. Er würde nie wieder dieser junge Mann werden, der den Hof seines Vaters übernehmen wollte – das war ein anderes Leben gewesen, ein anderer Mensch, den es nicht mehr gab.
Flana wurde verschlossen und schweigsam. Sie nähte das Generalsgewand und arbeitete auch an den Roben der mitreisenden Magier. Cademar schenkte ihr keine Beachtung – bis auf einen kleinen Moment, als Malkom beobachtete, wie Cademar innehielt, um Flana zu mustern, wie sie auf einem Stein am Wegesrand saß, eine Melodie summte und sorgfältig die Nadel führte. Von seinem Standpunkt aus konnte Malkom nicht in Cademars Gesicht blicken, und dieser verharrte auch nur einen Augenblick, dann ging er weiter.
In der letzten Nacht der Reise wurde nur ein kurzer Halt gemacht und keines der Gasthäuser auf dem Weg in Anspruch genommen, und auch am letzten Tag wurde nur gerastet, um die Wasservorräte aufzufüllen – und damit Cademar die Generalsrüstung anlegen konnte. Die Kutschen hatten am Vortag die Küste hinter sich gelassen und waren ins Landesinnere gelenkt worden. Zunächst hatten sie noch die Wälder von Asugol durchquert, doch dann hatten sie einen Landstrich erreicht, dessen Erde schwarz und ausgedörrt war und in dem nur einige Büsche wuchsen. Es musste nicht mehr weit zur Dämmerschlucht sein.
Als sich das Land weitete und die Dämmerschlucht in Sicht kam, hinter der sich ein schwarzer Wall erhob, beugte sich Malkom so weit es ging durch das Fenster in der Kutschentür. Was auch immer Cademar tun sollte, er würde es nicht alleine angehen müssen.
Es schienen alle Soldaten Asugols an der Brücke über die Dämmerschlucht stationiert worden zu sein.
Eine einzige Brücke spannte sich über die Dämmerschlucht. Es hieß, die Magier hätten die Steinkonstruktion, die ohne Pfeiler auskam, zu der Zeit gebaut, als auch die
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