Cadence Jones ermittelt: Drei sind zwei zu viel (German Edition)
prüfen. Doch wir hinken den Statistiken von New York, Miami und Los Angeles weit hinterher. Weil wir eben so nett und freundlich sind!
Und dann, aus heiterem Himmel: Ich hörte sozusagen das Knirschen, mit dem etwas Hartes auf mein Schienbein traf. Und merkte einigermaßen erstaunt, dass ich mitten in einem Einsatz komplett weggetreten war.
Ich schaute zur Uhr hoch. Aha. Okay. Immerhin hatte es keine drei Minuten gedauert. Trotzdem eine lange Zeitspanne, wenn man stumm dasteht, während die anderen einen fragend anstarren, oder wenn man etwas zu Ende denken will.
»Sorry, hab grade nachgedacht. Bin auch noch nicht fertig.«
»Dann sei ja vorsichtig, yah? Du könntest dir dabei was verrenken.«
»Sag nicht yah am Ende des Satzes!«, fauchte ich ihn an. Bevor George mit einer Garstigkeit antworten oder seine Pistole auf mich richten konnte, fuhr ich fort: »Wisst ihr was? Ich habe nachgedacht: Ich glaube nicht, dass George Stinney die Mädchen ermordet hat. Aber der Staat, der Staat hat ihn hingerichtet, den armen kleinen Kerl. Warum hat niemand etwas dagegen unternommen? Jemand sollte das mal seiner Familie sagen, diesen armen Leuten. Jemand sollte Georges Familie sagen, dass der Staat sie gewaltig um Verzeihung bitten muss.«
Ich hatte sie schon vorher aus dem Augenwinkel wahrgenommen. Mitte vierzig, Afroamerikanerin, gut gekleidet in einen J. Jill-Wintermantel und Slacks. Sie hatte sich ganz am Rand der Ereignisse gehalten. War sehr, sehr unauffällig hereingekommen, eine Zuschauerin unter vielen. Von ihrem Mantel tropfte es, sie konnte also noch nicht lange im Saal sein, denn draußen schneite es.
Ich weiß nicht, warum sie mir auffiel … vielleicht lag es an der Art, wie sie sich im Hintergrund hielt. Ihr Gesichtsausdruck und diese unauffällige Art waren es wohl, die mich gewarnt hatten. Auch wenn ich es nicht bewusst wahrnahm, schrillten in meinem Unterbewusstsein die Alarmglocken. Diese Frau, die ich noch nie zuvor gesehen hatte … sie wirkte nicht einfach nur interessiert. Sondern geradezu gebannt.
Sie wirkte wie eine Frau auf mich, der die Familie über alles ging – in einer Familie, in der jeder Einzelne Opfer bringen musste. Seine Zeit und sein Geld opferte. Zeit, die man im Spiel mit seinen Kindern hätte verbringen können, floss hier in eine Familienaufgabe ein, die niemals ein Ende fand. Eine Aufgabe, die immer neue Opfer erforderte. Das Stinney-Racheunternehmen – einfacher wäre es gewesen, eine Burger-King-Filiale zu leiten.
Das Stinney-Familienunternehmen: Es hatte sein Mal so deutlich hinterlassen, dass ich meinte, es auf der Stirn dieser Frau erkennen zu können.
Man konnte nicht behaupten, dass wir uns nicht vorbereitet hätten. Wir hatten uns solche Mühe gegeben, uns zu verkleiden, hatten es aussehen lassen, als wären wir neugierige Vorortbewohner, die einen Vortrag hören und dann ins hiesige Starbucks einfallen wollten. Keiner von uns trug irgendetwas an sich, das Regierungsagenten, beachten Sie bitte die schwarzen Anzüge signalisierte.
Doch ebenso, wie ich sie erkannt hatte, wusste auch sie sofort, wer wir waren.
Sie versuchte ein schüchternes Lächeln. Als ich später erfuhr, dass sie erst sechsunddreißig Jahre alt war, konnte ich es nicht glauben. Ich hätte auf Mitte vierzig getippt. Und als sie lächelte, belief sich meine Schätzung auf Ende vierzig.
Sie trat einen Schritt näher. Ich bewunderte sie dafür. Sie kam näher. Jeder andere wäre um sein Leben gerannt. Um seine Freiheit. Ihre Stimme klang nachdenklich und melodisch. »Sie interessieren sich … also … für George Stinney.« Eine ruhige Stimme. Viel zu ruhig. Vielleicht eine … tote Stimme? »Sie meinen also … dass ihm Unrecht geschehen ist, yah?«
Ich hatte keine Ahnung, wie ich reagieren sollte. Bloß jetzt nicht wegen dieses yah aus der Haut fahren …
Aber zum Glück war Michaela da. »Wir meinen gar nichts. Wir wissen , dass ihm Unrecht geschehen ist, Ma’am. Und wir wissen, was dieses Unrecht Ihrer Familie angetan hat. Es tut mir sehr leid. Aber hiermit sind Sie festgenommen.« Ich zuckte innerlich zusammen. Das letzte Mal, als Michaela im Einsatz gewesen war, hatte sie den Verbrecher erschossen.
Aber ich hätte mir wohl keine Sorgen zu machen brauchen. Das Lächeln der Frau wurde beinahe strahlend. »Jetzt, wo es so weit gekommen ist, bin ich im Grund erleichtert, diese Worte zu hören. Ist das nicht töricht? Ich fühle mich tatsächlich erleichtert .«
»Weil das Familienunternehmen
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