Cadence Jones ermittelt: Drei sind zwei zu viel (German Edition)
wir ihn pfleglich behandeln.
»Hätte ja auch fast geklappt«, erklärte Dr. Gallo in absurd fröhlichem Ton, »bis auf den echten Coroner, wie gesagt. Der übrigens verschwunden ist.«
George verdrehte die Augen. Er sagte keinen Ton, aber ich wusste, was er dachte. Noch mehr Grabenkämpfe in der Stadt. Und nur weil Dr. Zinner eine Wette verloren hatte, und keiner seiner Leute ihn das vergessen ließ. Schon bald würde ein Coroner am Tatort aufkreuzen, aber es würde nicht Dr. Zinner sein.
»Ist ’ne lange Geschichte«, sagte George lediglich, »aber jetzt ist alles unter Kontrolle.« Es war nicht das erste Mal, dass ich ihn für seine Fähigkeit bewunderte, eine makellose, glaubhafte Lüge zu erzählen.
Emma Jan räusperte sich und schüttelte Dr. Gallo, der endlich auf seinen Füßen stand, die Hand. »Noch einmal, ich bedauere das mit Ihrem Neffen sehr. Mir ist aber schleierhaft, woher Sie wissen konnten, wo wir zu finden sind … «
Aus dem Augenwinkel spähten George und sie in meine Richtung. Ich seufzte und beichtete. »Dr. Gallo ist mir offensichtlich gefolgt.«
»Offensichtlich«, stimmte Dr. Gallo zu. »Und sagen Sie doch Max zu mir.« Er winkte kurz. Mit der typischen Unterwürfigkeit, die die meisten Cops Ärzten gegenüber zeigen, wurden ihm Handschuhe gebracht, die er sogleich überstreifte. »Jetzt hört mal zu, es ist doch schon ein Arzt vor Ort. Ich bin approbierter Mediziner und habe in meinem Leben eine Million Tatorte wie diesen gesehen. Na ja.« Seine Mundwinkel senkten sich. »Nicht genau so welche wie diesen, aber Sie wissen, wie ich’s meine. Und sagen Sie jetzt nicht, Sie hätten Lust, stundenlang auf den Coroner zu warten. Also an die Arbeit.«
Ich öffnete den Mund: Es war unangemessen. Gegen die Regeln. Er war nicht einmal der richtige Arzt. Schlimmer noch, er war mit einem Opfer verwandt. Außerdem ...
»Ach, scheiß doch drauf«, sagte George. (Genau damit hatte ich gerechnet.) Ich blickte Emma Jan an, doch sie zuckte bloß die Achseln.
»Er ist hier, er will es übernehmen. Vielleicht entdeckt er etwas, das ein emotional weniger involvierter Arzt nicht sehen würde.« Außerdem wird er wohl kaum einen von uns verklagen, wenn wir ihn in unserem Sandkasten spielen lassen .
Max, so bemerkte ich, hatte inzwischen die Handschuhe übergestreift, ohne erst unsere Erlaubnis abzuwarten.
»Die Leichenstarre ist beinahe vollständig«, sagte er, während er behutsam neben der Leiche niederkniete. »Der Junge ist seit mindestens zwölf Stunden tot.« Er warf einen Blick auf die Augen. Diese waren im Leben vermutlich lebhaft und hübsch gewesen, jetzt jedoch von einer trüben Schicht überzogen. »Chris wurde nach elf Stunden gefunden. Ist das typisch für diese Morde?«
Widerwillig nickten wir. Ich wollte mir gar nicht erst vorstellen, wie Michaela reagieren mochte, wenn sie davon erfuhr. Dass wir dem Verwandten eines Opfers eine Untersuchung gestattet hatten. Aber Max Gallo hatte etwas Besonderes an sich. Nicht nur ich (oder Shiro oder Adrienne) spürten das. Emma Jan und George erging es ebenso. Diese unbezwingliche Ausstrahlung. Diese schwarzen Augen, deren Blick so bedrohlich war wie der eines Hais. Man wollte Max Gallo alles recht machen und hatte gleichzeitig ein wenig Angst vor ihm. Und das Dümmste daran war … dass ich erleichtert war. Erleichtert, dass es George und Emma Jan ebenso ging. Erleichtert, dass dies kein weiterer Beweis dafür war, dass ich so schnell wie möglich meine Unschuld verlieren musste.
»Stumpfe Kopfverletzung«, murmelte Max. »Wahrscheinliche Todesursache. Auch wie bei Chris. Sind die Eltern fort?«
»Immer noch, ja«, antwortete George. »Die Polizei von Edina versucht, sie zu erreichen.«
Ich legte keinen Wert darauf, vor Ort zu sein, wenn die Eltern zurückkehrten. Um mich abzulenken, schritt ich um Max und die Leiche herum. Dann hielt ich jäh an. »Hört mal. Das ist grundverkehrt.«
»Um es milde auszudrücken«, brummte Max, der die Finger des toten Jungen behutsam untersuchte. Er winkte, und einer der Officer trabte gehorsam an und machte mehrere Blitzlichtaufnahmen von Fingern und Händen.
»Jaa, Cadence, das hatten wir doch schon mal, und wir sind alle deiner Meinung. Falls du dich erinnerst: Wir alle finden diese Morde grässlich und beschissen.«
»Seht doch mal genau hin«, forderte ich sie auf. »Er trägt Jeans, nicht wahr?«
»Chris hatte auch Jeans an. Vielmehr, er wurde in Jeans gefunden«, korrigierte sich Max. Wieder
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