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Cäsar Cascabel

Cäsar Cascabel

Titel: Cäsar Cascabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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die beiden Hunde bis zu ihrer Rückkehr hüten sollten.
    Fünf bis sechs Minuten lang schritten sie am Waldrande dahin. Von Zeit zu Zeit blieben sie stehen, um zu lauschen: kein Geräusch unterbrach die Stille des Waldes. Trotzdem wußten sie bestimmt, daß die Rufe aus dieser Richtung und aus ziemlich geringer Entfernung gekommen waren.
    »Wenn wir nicht etwa von der Sinnentäuschung genarrt worden sind?…« bemerkte Herr Cascabel.
    »Nein, Vater,« antwortete Jean, »das ist nicht möglich! Ah!… hörst Du…«
    Diesmal vernahm man deutlich einen Hilferuf, – nicht mehr von einer Männerstimme, wie der erste, sondern von der Stimme einer Frau oder eines Kindes.
    Die Nacht war sehr dunkel und im Schatten der Bäume sah man kaum einige Meter weit. Clou hatte zwar vorgeschlagen, eine der Wagenlaternen mitzunehmen; aber dem hatte Herr Cascabel sich aus Vorsicht widersetzt, da es jedenfalls besser war, nicht von weitem gesehen zu werden.
    Übrigens erschollen die Rufe von neuem und wurden so deutlich, daß man sich leicht danach zurechtfinden konnte. Es schien nicht einmal nötig zu sein, in den Wald einzudringen.
    In der That erreichten Herr Cascabel, Jean, Xander und Clou in fünf Minuten den Rand einer kleinen Lichtung, wo sie zwei Männer auf der Erde liegen sahen. Neben dem einen kniete eine Frau und stützte dessen Kopf in ihren Armen.
     

    Ein Weib stützte ihm den Kopf. (Seite 84.)
     
    Es waren die Rufe dieser Frau, die man zuletzt vernommen hatte. Jetzt rief sie in der Chinouksprache, welche Herr Cascabel ein wenig verstand:
    »Kommt!… Kommt!… Sie sind ermordet!…«
    Jean eilte zu der Frau, die von dem Blute des Unglücklichen, den sie ins Leben zurückzurufen suchte, überströmt war.
    »Dieser atmet noch!« sagte Jean.
    »Und der andere?« fragte Herr Cascabel.
    »Der andere… ich weiß nicht!…« antwortete Xander.
    Herr Cascabel kam herbei, um zu horchen, ob kein Herzschlag, kein Hauch des Mundes noch einen Rest von Leben verrate.
    »Er ist wirklich tot!« sagte er.
    Das war er in der That; eine Kugel hatte seine Schläfe durchbohrt und ihn auf der Stelle getötet.
    Aber wer war jene Frau, deren Sprache auf indianischen Ursprung deutete? War sie jung oder alt? In der Dunkelheit, unter der über ihren Kopf gezogenen Kapuze, konnte man ihre Züge nicht unterscheiden. Aber diese Fragen drängten nicht; sie würde später schon sagen, woher sie komme und unter welchen Umständen dieser Doppelmord verübt worden sei. Jetzt mußte man vor allem den Mann, der noch atmete, in das Lager transportieren und ihm die schnelle Pflege angedeihen lassen, von der vielleicht seine Rettung abhing. Was die Leiche seines Gefährten betraf, so würde man am folgenden Tage wiederkommen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.
    Von Jean unterstützt, hob Herr Cascabel den Verwundeten bei den Schultern auf, während Xander und Clou ihn bei den Füßen hoben. Dann sagte er, zu der Frau gewendet:
    »Folgen Sie uns.«
    Und diese schritt ohne Zaudern neben dem Körper her, indem sie das noch immer aus seiner Brust fließende Blut mit einem Tuche zu stillen suchte.
    Man konnte nicht schnell vorwärts kommen. Der Mann war schwer und man mußte ihm jede Erschütterung ersparen. Herr Cascabel wollte einen Lebenden ins Lager bringen, keinen Toten.
    Endlich, nach Verlauf von zwanzig Minuten, trafen alle dort ein, ohne durch irgend eine unliebsame Begegnung aufgehalten worden zu sein.
    Cornelia und die kleine Napoleone, welche befürchteten, daß die Ihrigen einem feindlichen Angriffe zum Opfer gefallen sein könnten, erwarteten sie in tödlicher Unruhe.
    »Schnell, Cornelia,« rief Herr Cascabel, »Wasser, Leinen, alles Nötige, um eine Blutung zu hemmen; sonst geht der Unglückliche am Blutverlust zu Grunde!«
    »Gut, gut!« antwortete Cornelia. »Du weißt, daß ich mich darauf verstehe, Cäsar. Nicht so viele Worte und laß mich gewähren!«
    In der That verstand Cornelia sich darauf, da sie während der Ausübung ihres Berufes mehr als eine Wunde zu pflegen gehabt hatte.
    Clou brachte eine Matratze in die erste Abteilung, auf welche der Verwundete gelegt wurde, den Kopf von einem flachen Polster gestützt. Beim Schein der Hängelampe erblickte man sein, bereits von den Schatten des nahen Todes entfärbtes Gesicht und zugleich auch die Züge der Indianerin, die neben ihm auf die Kniee gesunken war.
    Es war ein junges Mädchen, das höchstens fünfzehn bis sechzehn Jahre zu zählen schien.
    »Wer ist dieses Kind?« fragte

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