Cäsar Cascabel
sie angetreten, bewies zur Genüge die Energie ihres Charakters. Sie war bereits
Kayette hatte die Richtung nach Süden eingeschlagen. (Seite 88.)
einen Monat unterwegs, dem Südwesten Alaskas zustrebend, und hatte jenen engen, an die Inseln grenzenden Küstenstreifen erreicht, durch den man nach der Hauptstadt gelangt, als sie, längs des Waldrandes dahinschreitend, einige hundert Schritte vor sich zwei Schüsse und verzweifelte Hilferufe gehört hatte.
Es waren dieselben Rufe, welche bis in das Lager der Belle-Roulotte gedrungen.
Kayette war sogleich beherzt auf die Waldlichtung zugeeilt.
Ohne Zweifel hatte ihr Nahen die Mörder aufgescheucht, denn sie erblickte eben nur noch zwei Männer, welche durch das Dickicht davonflohen. Aber offenbar würden jene Elenden bald erfahren haben, daß sie sich vor einem Kinde gefürchtet; sie kehrten in der That bereits in die Lichtung zurück, um ihre Opfer zu plündern, als das Erscheinen des Herrn Cascabel und der Seinigen sie – diesmal endgültig – verscheuchte.
Angesichts der beiden auf dem Boden liegenden Männer, von denen der eine eine Leiche war, während das Herz des anderen noch schlug, hatte Kayette um Hilfe gerufen, und wie man weiß, nicht umsonst. Herr Cascabel hatte sowohl die Rufe der angefallenen Reisenden, als auch die der jungen Indianerin vernommen.
Die Nacht verfloß. Die Belle-Roulotte hatte keinen Angriff von den Mördern zurückzuschlagen, die sich ohne Zweifel schleunigst von dem Schauplatze des Verbrechens geflüchtet.
Am folgenden Morgen konstatierte Cornelia keine Veränderung in dem Befinden des Verwundeten, das noch immer gleich beunruhigend erschien.
Unter diesen Umständen erwies Kayette sich als sehr nützlich, indem sie gewisse Kräuter sammeln ging, deren antiseptische Eigenschaften ihr bekannt waren. Sie bereitete einen Aufguß daraus, in welche neue Kompressen getaucht und dann auf die Wunde gelegt wurden, aus der kein Blutstropfen mehr floß.
Im Laufe des Morgens bemerkte man, daß der Verwundete zu atmen begann; aber es kamen nur Seufzer, nicht einmal undeutliche, abgerissene Worte, über seine Lippen.
Es war daher unmöglich zu ergründen, wer er war, woher er kam, wohin er ging, was er an der alaskischen Grenze zu thun hatte, unter welchen Umständen er und sein Gefährte angegriffen worden und wer die Angreifer gewesen.
Jedenfalls waren jene Elenden, wenn ihr Attentat einen Raub zum Zwecke gehabt, durch ihre allzu eilige Flucht vor der jungen Indianerin um eine prächtige Beute gekommen, derengleichen sie in diesen wenig besuchten Gegenden nicht sobald wieder antreffen würden.
Dies unterlag keinem Zweifel, denn als Herr Cascabel den Verwundeten entkleidete, hatte er in einem um seinen Leib geschnallten Ledergürtel eine Menge Goldstücke von amerikanischem und russischem Ursprunge gefunden, welche eine Gesamtsumme von cirka fünfzehntausend Francs bildeten. Dies Geld wurde in Sicherheit gebracht, um sobald als möglich zurückerstattet zu werden. Papiere aber fanden sich keine vor, mit Ausnahme eines Notizbuches mit einigen teils russischen, teils französischen Aufzeichnungen. Nichts, nichts, woraus man die Identität des Unbekannten feststellen gekonnt hätte.
Als die Erde dies Grab bedeckte… (.Seite 92.)
An jenem Morgen, um die neunte Stunde, sagte Jean:
»Vater, wir haben eine Pflicht gegen jene verlassene Leiche zu erfüllen.«
»Du hast recht, Jean, gehen wir. Vielleicht finden wir irgend eine Schrift bei dem Toten, die uns aufklärt. – Du wirst uns begleiten,« fügte Herr Cascabel, zu Clou gewendet, hinzu. »Nimm eine Haue und eine Schaufel mit.«
Mit diesen Werkzeugen versehen und wohl bewaffnet, verließen alle drei die Belle-Roulotte und wandten sich dem Waldrande zu, an dem sie gestern entlang gegangen waren.
Sie fanden bald die Stelle wieder, wo der Mord verübt worden war.
Offenbar hatten die beiden Reisenden an diesem Orte übernachten wollen. Man sah die Spuren eines Lagers, die noch rauchende Asche eines Feuers. Am Fuße einer großen Fichte waren Kräuter aufgeschichtet, welche den Reisenden als Bett gedient haben mochten. Vielleicht waren sie sogar im Schlafe überfallen worden.
Bei dem Ermordeten war die Totenstarre bereits eingetreten.
Seine Kleidung, seine Physiognomie, seine rauhen Hände wiesen darauf hin, daß dieser höchstens dreißig Jahre zählende Mann der Diener des andern gewesen sein müsse.
Jean durchsuchte seine Taschen. Er fand kein Papier darin. Auch
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