Caesar erwacht!
Europa Einzug halten sollte. Die Vorgänger unzähliger bahnbrechender Erfindungen, wie mechanische Zeitmesser oder chirurgische Instrumente, hatten ihren Ursprung in seiner östlichen Antike, während Germanen und Gallier damals noch in wilden Horden hausten. Nicht zu vergessen, die Einführung seines julianischen Kalenders, der später nur weiterentwickelt wurde und bis heute Bestand hatte …! Die weit vor dem neunzehnten Jahrhundert aufkeimenden Erfindungen, unter anderem von einem gewissen Galileo oder Newton, wurden von der ihm unbegreiflichen Kirche wieder im Keime erstickt. Aber dann explodierte plötzlich alles. Die technische Entwicklung hatte sich ab dem neunzehnten Jahrhundert in ganz Europa verhundertfacht. Der Ausgleich zwischen den Völkern wurde hergestellt. Die Welt stand für Gaius jedoch auf dem Kopf; er tat sich schwer mit dem Untergang seines römischen Reiches und anderen, rund um das ostmediterrane Meer beheimateten Hochkulturen, die oft nur noch als Relikte aus dem Boden oder Wasser ragten.
Doch das Schicksal meinte es gut mit ihm, im zweiten Leben, und führte ihn erneut auf fruchtbare Weiden. Otengas große Familie war erstaunlich reich, für Massai und Ureinwohner. Sie waren von Gaius so fasziniert, dass er sich bald an ihren vor Überfluss biegenden Tisch setzen konnte, der ihm nicht nur Heimat, sondern auch Bodenschätze des Kontinents bot. Edelmetalle und Diamanten. Eine zweite Welt hatte sich für Gaius aufgetan, die er niemals für möglich gehalten hatte. Und eine Dritte sollte er kennenlernen, die für ihn grenzenlose Möglichkeiten bereithielt, inklusive neuer Götter. Die Welt des Films!
Auf einem Treck mit den Beduinen kam er das erste Mal mit einer Film-Crew in Berührung. Das Thema des Dokumentarfilms zog ihn völlig in den Bann: „Auf den Spuren Kleopatras.“
Sechs Wochen nahm er sich Zeit, um die gesamte Crew zu begleiten, durch die Wüste zu führen und zu beobachten. Kaum ein anderer Beduine zeigte sich so bereitwillig, die Film-Crew ohne Gegenleistungen zu leiten, und vor allem demonstrierte niemand so viel Begeisterung im Erkunden der Technik, Skripte und Drehlocations. Was vor allem besonders ins Gewicht fiel und die Filmleute im höchsten Maße erstaunte, war sein überdurchschnittliches Interesse an Cleopatra und Rom. Ein gebildeter, vollbärtiger, langmähniger Tuareg, der sein Gesicht nicht wie die anderen unter einem Gesichtsschleier verbarg? Der die traditionelle, blaue Männerkleidung eher lässig zur Schau trug und viel besser als gebrochenes Englisch sprach?
Regisseur John Norton war jedes Mal fasziniert, wenn er mit Gaius, mittlerweile Gaetano genannt, über geschichtliche Fakten diskutierte und oft einen Einspruch erhielt. Dass dieser Tuareg italienischer Abstammung war, musste nicht gleich bedeuten, alles über seine Vorfahren zu wissen. Aber Gaetano blieb oft beharrlich bei seinen Behauptungen und vertrat zuletzt mit sehr gebieterischem Auftreten seine Meinung. Nach wochenlanger Auseinandersetzung bat ihn Norton genervt, das Feld nun zu räumen und es den Spezialisten zu überlassen. Wer nicht an der Quelle schöpfte, schöpfte im Trüben …!
Grollend und sehr enttäuscht, zog der junge Mann von dannen. Otenga schüttete er sein Herz aus, dieser musste über seine Ausführungen herzlich lachen: Es zu wagen, einem Filmgewaltigen zu widersprechen! Zeitzeuge hin oder her …
Dann jedoch kam Dr. Otenga auf einen Gedanken, der nun Gaetano, indessen Gaetano Cesare Sovrano, den weiteren Weg weisen würde. Es war Zeit, sich zusammen aufzumachen. Nach Cinecitta. Und Rom!
Die innige Freundschaft der beiden ungleichen Männer hielt nun schon zwanzig Jahre an. Immer noch war Dr. Henry Otenga der weise Ratgeber, den Caesar zur mentalen Konditionierung aufsuchte. Diesmal jedoch war Otenga mehr als irritiert. Der passionierte Filmmann hatte sich total zurückverwandelt. In einen antiken Herrscher, der zu allem entschlossen war, um einem gesamten Kontinent wieder mal die Stirn zu bieten. Otengas jahrelange Unterweisung sollte in Gewalt und Unterjochung gipfeln?
Otenga bat Caesar, seine Entschlüsse weise zu überdenken. Sogar die Massai-Stimme in ihm warnte vor übereilten Handlungen. Otenga war zwar auch der Meinung, dass der Kontinent, neben Nordamerika, der durch für die Umwelt verheerende Industrialisierung den gesamten Planeten an den Rand eines Kollapses brachte, zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Der Regenwälder abholzte, tonnenweise
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