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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Karthago die Finger in dem Keltenaufstand und den Illyrer-Angriffen gehabt hat. Überliefert sind solche Secretissima der Geheimpolitik zu dieser Zeit leider nicht.
    Als die Karthager in Spanien ihre Ziele erreicht hatten und die Welt für sie wieder anders aussah, deckten sie die Karten auf. Sie griffen mit voller Absicht das mit Rom verbündete Sagunt (nördlich Valencia) an. Das geschah 219. Feldherr war nicht mehr Hamilkar Barkas (er war gefallen) und auch nicht mehr Schwiegersohn Hasdrubal (ermordet), der sich immer nur als Platzhalter gefühlt hatte. Ein anderer war an die Spitze gerückt, ein Mann von siebenundzwanzig Jahren, vor dessen strategischer Genialität die gesamte Umgebung geradezu betroffen stand: Hamilkars Sohn Hannibal. Würde die im Museum von Neapel stehende Büste ihn wirklich darstellen, so wären wir glücklich zu wissen, wie er aussah. Aber leider zeigt die Büste nicht den leisesten semitischen Zug. So könnte Hannibals Gegenspieler, Fabius Maximus Cunctator, der römische Patrizier, ausgesehen haben, aber nicht Hannibal, der Punier. Schade.
    Sagunt schrie nach Hilfe. Das römische Volk schrie nach Bestrafung. Der Senat schrie nach Ruhe. Er hatte zwei Mobilmachungen hinter sich. Sagunt lag nicht in Italien, er wollte den Teufel einen neuen Krieg. Hannibal hatte damit gerechnet. Er eroberte Sagunt und zog (unter Bruch eines alten Vertrages) gleich weiter bis zu den Pyrenäen.
    Das war genau der Schritt zu weit, der in der Politik so schwer zu berechnen ist. Die Gallier (Marseille war mit Rom befreundet) übermittelten alle Nachrichten aus Spanien, und die letzte schlug nun wirklich wie eine Bombe ein. Hannibal an den Grenzen des ungeschützten Galliens bedeutete Hannibal an der Grenze der Po-Ebene, jenes Keltengebietes, das sowieso schon ein Pulverfaß war.
    Der Senat schickte eine Gesandtschaft nach Karthago. Man verlangte Wiedergutmachung und--die Auslieferung des »Kriegsverbrechers« Hannibal. Die Antwort konnte nicht zweifelhaft sein; auch Rom war hier einen Schritt zu weit gegangen. Die ganze Gesandtschaft erfüllte nur eine Formalität, die Rom ehrt. Es hätte gleich losschlagen können. Im Zwanzigsten Jahrhundert erklären nur noch Narren einen Krieg.
    Roms Jugend war Feuer und Flamme. Der Senat weniger. Immerhin sah die Lage nicht so schlecht aus, man mußte nur, das schien klar, Hannibal in Spanien fesseln und gleichzeitig das entblößte Karthago selbst angreifen. Je mehr man das überdachte, desto fröhlicher wurde die Zuversicht. Einer der Konsuln ging nach Sizilien, um die Invasionsflotte zu sammeln, der andere segelte mit einem Landheer nach Spanien.
    Es ist unwahrscheinlich, daß diese Pläne frühzeitig verraten worden sind. Hannibal muß sie erraten haben. Er hat auch sofort den einzigen Gegenschachzug erkannt, der ihm verblieb: auf Rom zu marschieren. Die punische Flotte war im Moment leider gleich Null; er mußte zu Fuß hin und zwar sofort. Er nahm nur seine Kerntruppen, etwa hunderttausend Mann und ein halbes Hundert Kriegselefanten. Er überquerte die Pyrenäen, zog ohne nennenswerte Hindernisse durch Südfrankreich und stand im Begriff, die Rhone zu überqueren, als er hörte, daß die Römer in Spanien angekommen aber sofort wieder umgekehrt seien. Die Nachricht stimmte. Die Expedition war erschrocken abgeblasen und alles eiligst nach Oberitalien umdirigiert worden.
    Der römische Befehlshaber tat, als er dort glücklich vor Hannibal angekommen war, etwas, was sehr richtig schien: Er legte den Hauptteil des Heeres in die Garnisonen Placentia (Piacenza) und Cremona als Sicherung des Weges in die Po-Ebene und eilte selbst mit einer Elite-Legion an die schwierig zu überquerende Rhone, um dort zusammen mit den Marseillern Hannibal schon bei seiner ersten Hürde abzufangen. Ihm war klar, daß der Karthager am Meer entlang einzubrechen versuchen würde.
    Hannibal war klar, daß dem Römer das klar war. Er ging daher weder in die Rhone- noch in die Nizza-Falle. Er zog flußaufwärts, setzte erst bei der Drôme über und stieg von der Durance aus in die Hochalpen ein. Man nimmt an, daß er über den Mont Genèvre ging. Er überquerte ihn mit allen Truppen, allem Troß, allen Pferden, allen Tragtieren und allen Elefanten. Es war ein Entschluß, der an Wahnsinn grenzte.
    Die Strapazen müssen unvorstellbar gewesen sein. Es war Herbst, als der Aufstieg begann und November, als man mitten im Gebirge steckte. Die Berge starrten bereits unter Eis, die Paßwege waren verschneit,

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