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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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der Sache was verstand. Es gab gar nicht so wenige aus dem Volke, die viel lieber Marius an der Spitze gesehen hätten, und zwar nicht nur einfache Leute, nein, auch Marius selbst. Er hatte zwar die Siebzig überschritten, aber was besagt das? Schließlich war Moses Zweiundachtzig, als die Kinder Israels Kanaan eroberten.
    Die Tributkomitien, eiligst mit Neubürgern aufgefüllt, beschlossen, Marius den Oberbefehl zu übertragen.
    Es ist richtig, das war ein Verfassungsbruch. Na, schön. Und? Motiviert das die Reaktion Sullas? Er verlangte die Ächtung der Schuldigen. Daran war vom Senat natürlich nicht zu denken, schließlich waren ja auch noch die Proletarier als außerparlamentarische Opposition da.
    Sulla reiste nach Süden ab und holte das Heer. Zum erstenmal in der Geschichte führte ein Konsul Soldaten gegen Rom! Die Offiziere waren bedenklich, aber die Truppe folgte Sulla, den sie als Feldherrn verehrte, sofort.
    Der Senat bekam einen Heidenschreck. Er schickte dem Konsul eine Delegation entgegen, die der hohe Herr einfach beiseite schob. Da kann man mal sehen! Er glaubte dem Senat nicht, noch Herr der Lage zu sein. Mit blanker Waffe marschierte er in Rom ein. Alle Quellen sind sich allerdings einig, daß nicht die geringsten Ausschreitungen vorkamen.
    Die Ächtung der Verfassungsbrecher durchzusetzen, war nun eine Kleinigkeit. Sulla begnügte sich zunächst mit zehn Namen, darunter Marius. Dem alten Kämpen gelang es, auf einem Schiff nach Afrika zu fliehen. Seine Mitstreiter mußte er in der Eile leider zurücklassen.
    Nachdem Sulla noch einige Gesetze suspendiert hatte, darunter wirklich unverständlicherweise das Einbürgerungsgesetz, und nachdem er die Konsulatswahlen für 87 durchgeführt hatte (nicht für seine Person), verließ er Rom und trat den Feldzug gegen Mithridates an. Während Sulla an der Front war, nahm man in Rom das wichtigste Anliegen der Menschheit wieder auf: den Parteikampf. Die beiden neuen Konsuln waren Patrizier, ein konzilianter Herr namens Gnaeus Octavius (der Vorfahre des späteren Kaisers Augustus) und ein Cornelier aus dem Zweig der Cinna, nicht der Sulla.
    Zwei Patrizier könnten im ersten Moment bedenklich stimmen, aber keine Sorge, Octavius war ein friedlicher Mann, der sich schon im voraus vor allen Scherereien bekreuzigte, und Cinna gehörte zu jenen fortschrittlichen Aristokraten, die stets up to date sind, wie heute unsere linksgesteuerten Freiherren und Grafen.
    Auf Cinna war also in diesem Sinne Verlaß. Er versuchte sofort, durch Komitienbeschluß alles rückgängig zu machen, was Sulla durchgesetzt; hatte. Das Volk jedoch, und das ist ja der ewige Jammer, zeigte keine Einigkeit. Altbürger standen gegen Zugewanderte auf, es kam, ohne daß der zaghafte Herr Octavius etwa als Opponent auch nur einen Finger zu rühren brauchte, zu blutigen Straßenkämpfen; Cinna unterlag, floh aufs Land, dort sammelte er Sklaven und einige Garnisons-Einheiten, die er reichlich mit Geld bestach, und rief Marius aus Afrika zurück. Sein Trumpf-As.
    Der Alte kam. Und damit beginnt ein wenig schöner Abschnitt der römischen Geschichte. Freilich kommt es darauf an, durch welche Brille man ihn sieht. Es geschah ja schließlich alles fürs Volk.
    Die Gefühle, die sich inzwischen bei Marius aufgespeichert hatten, kann man schlicht mit Tollwut bezeichnen. Er marschierte nach heftiger Gegenwehr der Bürger als Triumphator in Rom ein und begann ein jakobinisches Schreckensregiment. Ein leidiges Kapitel, aber man kann es schlecht weglassen.
    Marius bediente sich einer Bande von regelrechten Strolchen, zum größten Teil entfesselten Sklaven und Hafengesindel. Als erstes ließ er seine persönlichen Gegner ermorden, dann seine politischen, alle oder fast alle ohne auch nur den Schein eines Gerichts, und schließlich ließ er seine Schergen auf die Wohlhabenden los. Es wurden Tausende umgebracht, auf der Straße erstochen oder nachts aus den Häusern gezerrt, erschlagen und in den Tiber geworfen. Ihr Geld und Gut wurde »konfisziert«. Kein Mensch weiß, wo es geblieben ist. Marius selbst hat sich bestimmt nicht vom Gold, sondern nur vom Blutrausch leiten lassen. Zu seinen Opfern gehörte auch der amtierende Konsul Octavius, dessen Kreuzschlagen also erfolglos geblieben war, sowie Marius’ alter Kriegskamerad Lutatius Catulus, sein Mitkämpfer gegen die Cimbern, dem er nie den Konkurrenzruhm verziehen hatte. Sein Haß machte vor nichts halt. Zahllose gänzlich unpolitische, ja unbemittelte

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