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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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ließ Cicero, der die Mordverschwörung aufgedeckt hatte, seine Reden halten (Latein, Oberstufe) und drehte Daumen. Cicero (ich lese zu meinem Staunen gerade, daß auch er wieder »adlig« war) hatte als Rechtsanwalt und brillanter Redner seinen Weg gemacht, war Senator und schließlich 63 Konsul geworden. Er gebärdete sich kolossal konservativ (was er wirklich war) und kolossal aristokratisch (was er nicht war). Er war nobel genug, Cati-lina den Wink zu geben, aus Rom zu verschwinden, ehe er ihn dann aber wegen Mordversuchs an den Konsuln und Hochverrats zum Tode verurteilen ließ.
    Hier hörte Senator Gaius Julius mit dem Daumendrehen auf, hob die Hand und stimmte dagegen. Er war für »lebenslänglich«. Eine besondere Begründung hatte er nicht, er meinte nur: Wer römischer Bürger sei, sei a priori etwas so Besonderes in der Welt, daß er niemals zum Tode verurteilt werden dürfe. Reiner Quatsch, aber beim Volke ungeheuer eindrucksvoll. (Catilina wurde später bei Pistoia erwischt und fiel im Kampf.)
    Im Jahre 61 ging Gaius Julius als Proprätor (Statthalter) nach Spanien. Er verwaltete das Land gut, protegierte die Steuerpächter des Crassus und sorgte auch für sich.
    60 war er wieder in Rom und stellte fest, daß sich inzwischen nichts Neues ereignet hatte. Pompeius saß immer noch grollend in der Ecke, Crassus zerriß vor seinen Augen wie Fugger vor Maximilian die Schuldscheine Caesars, und das ganze Rom war abermals um einen Grad zielloser und korrupter geworden. Die Raffsucht beherrschte alle Schichten bis hinunter zu den Proletariern, die mit derselben Gleichgültigkeit wie die anderen Stände auf ihre begrenzte Weise, aber ebenso aufreizend, Volksgut und Lebensmittel vergeudeten und verkommen ließen. Die Quartiere des Proletariats sahen wie Mülleimer aus, allein schon der Anblick schürte den Haß gegen die Hauseigentümer. Doch die Eigentümer standen hilflos vor der Frage, wie man ganze Straßenzüge mit zehntausend Männern, Frauen und Kindern evakuieren könnte, um die Häuser zu erneuern. Die Volkstribunen sprachen nicht von diesen Problemen und nicht von der Plage des stadtfremden Gesindels, sie sprachen nur von arm und reich, von Establishment, vom Sturz der »Gesellschaft«, von der »Macht dem Volke« und von »anders«.
    Die Besten der Römer lebten schon gar nicht mehr in Rom; sie hatten die Stadt verlassen und besaßen kein Gewicht und keinen Einfluß mehr. Der einzige, der auf seiten der Konservativen im Senat noch herumtobte und auf den Tisch schlug, war Cato minor, der Urenkel des alten »Ceterum censeo Carthaginem esse delendam«. Die übrigen hörten so wenig nach rechts und nach links, wie eine Mutter den Krach von zehn Kindern wahrnimmt, während sie kocht. Und kochen taten sie in Rom alle, die einen ihr Süppchen, die anderen vor Wut.
    In dieser Situation ging Gaius Julius zu Pompeius und anschließend zu Crassus und machte ihnen einen Vorschlag, den unsere höhere Schuljugend heute noch mit Namen und Jahreszahl auswendiglernen muß, obwohl es schade um diese Mühe ist: Die drei schlossen im Jahre 60 das »Erste Triumvirat« — Dreimännerbündnis. Die Idee kam von Gaius Julius und war seiner würdig. Das Triumvirat hatte, da keiner der drei im Augenblick eine Machtposition besaß, nicht die geringste juristische Basis; es hatte nichts außer dem wohlklingenden Namen. Es war weniger als die Blutsbrüderschaft zwischen Old Shatterhand und Winnetou; sie redeten sich nicht einmal mit »mein roter Bruder« an.
    Es war — wie soll man es nennen — ein Investment-Unternehmen. Die Formel, auf der es basierte, war von gängiger Gründungsart: Crassus gab das Geld, Pompeius seinen untadeligen Namen und seine Verbindungen, Gaius Julius die Idee. Die Dividenden sollten so aussehen: Crassus wünschte sich vor den permanent drohenden Anklagen wegen Wuchers und Ausbeutung zu schützen, Pompeius wünschte, seine Neuordnung Kleinasiens wieder eingeführt und seine Veteranen versorgt zu sehen. Um diese beiden Wünsche zu erfüllen, bedurfte es eines Konsuls, der das sofort und rücksichtslos innerhalb eines Amtsjahres durchsetzte. Pompeius war unbeliebt, Crassus, den schon Sulla sich vom Leibe gehalten hatte, roch übelst — Gaius Julius also mußte Konsul werden. Mit vereinten Kräften wurde er es. Wir brauchten uns ihm nicht Schritt für Schritt so an die Fersen zu heften, würden wir an ihm nicht mit so einmaliger Genauigkeit das Werden eines »Cäsaren« verfolgen können, eines Diktators

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