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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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für die Nacht. Enthaltsamkeit ist ungesund.«
    »Es sei denn, du wärst Priester irgendeines unsäglichen Gottes, der Enthaltsamkeit verlangt«, sagte Orgetorix. »Dann wäre diese auch noch wahnsinnig.«
    »Ich hätte Antonius fragen können; aber den will ich nicht schon wieder aufsuchen. Ist euch in der Stadt, in der Stimmung etwas aufgefallen?«
    »Wir kennen die Stadt nicht und können nicht vergleichen.« Der Gallier hatte die Stirn gerunzelt. »Was soll uns auffallen? «
    »Antonius‘ Wachen mögen keine offenen Worte. Und die Garküche hier wäre früher voller gewesen.«
    Lugona sah sich um. An der aufgemauerten Theke, hinter der der Wirt lehnte, hockten zwei Gäste, mit denen er leise redete. Von den drei Dutzend Sitzplätzen an Tischen waren nur weitere fünf besetzt.
    »Vielleicht haben die Leute kein Geld?« sagte Orgetorix.
    »Kann sein, aber irgendwie… Ich bilde mir ein, so etwas wie Angst oder, na ja, Besorgnis zu spüren. In der Luft. Und vorhin waren weniger Leute auf der Straße als sonst - als früher, nach Sonnenuntergang.«
    In den nächsten Tagen suchte Aurelius etliche Häuser auf, von deren Besitzern oder Dienern er sich Auskünfte versprach, aber vergebens. Niemand schien etwas über Kalypsos Aufenthalt zu wissen. Und andere, die etwas hätten wissen können, waren nicht in der Stadt. Volturcius, den wiederzusehen Aurelius keinerlei Lust hatte, dessen Haus er aber dennoch aufsuchte, war fort, wie viele andere bei Pompeius jenseits des östlichen Meers, in Epirus oder Griechenland. Genaueres wußte man immer noch nicht; allerdings hatte sich inzwischen herumgesprochen, daß sämtliche Häfen gesperrt waren, auf Caesars Befehl.
    Was zur Folge hatte, daß niemand sich nun noch zu Pompeius und den Senatoren begeben konnte und daß nur jene Nachrichten in die Stadt gelangten, die Caesars Leuten - das hieß vor allem Marcus Antonius - genehm waren.
    Und Gerüchte. Massilia habe sich für Pompeius und den Senat entschieden und werde von Caesars Legaten Trebonius belagert; auf Sizilien und Sardinien werde gekämpft; nach anderen Gerüchten hatten dort beide Seiten gewonnen, und Caesar habe sich nach Hispanien begeben, um dort die Pompeianer zu bekämpfen. Nein, er selbst belagere Massilia, und die hispanischen Legionen des Pompeius seien unterwegs, Massilia zu helfen.
    Immer wieder dachte Aurelius an Caesars Gespräch mit Cicero. Er hatte keinen Anlaß, den Redner zu schätzen, den er für einen aufgeblasenen, eitlen Mann hielt und dessen Redlichkeit, wenn es um Geschäfte zu Lasten minderwertiger Personen ging, ihm bestenfalls zweifelhaft erschien. Aber immerhin - er hatte Caesar widersprochen, als eine Legion auf der Straße rastete und eine Kohorte in Ciceros Garten.
    Andererseits hatte Caesar ihm Redeblumen dargebracht und gründlich geschmeichelt; vielleicht hätte Cicero nicht so mutig widersprochen, wenn Caesar früher die verhüllten Drohungen geäußert hätte: seine Kenntnisse von Einzelheiten aus Ciceros Briefen, die Bemerkung, notfalls sei er zu allem fähig…
    War Cicero mutig? Aurelius wußte es nicht. Er wußte aber auch nicht mehr, was er von Caesar hielt. Der Griff nach der Macht, gegen Pompeius und den Senat - natürlich hatten sie ihn beinahe gezwungen, Gewalt anzuwenden, indem sie alle Vermittlungsvorschläge zurückwiesen. Pompeius hätte sich spätestens in Brundisium zu einer Unterredung mit seinem ehemaligen Bundesgenossen und Schwiegervater herablassen sollen. Die Optimaten wollten die Macht behalten, die sie seit Jahrhunderten besessen hatten, und da Caesar nicht mit ihnen an die Macht kommen konnte, mußte er es gegen sie tun. Wenn er die Macht wollte.
    Macht. Macht an sich. Macht worüber, woher, wozu? Macht, wie ausgeübt? Wenn nun Ciceros Briefe und zweifellos auch die anderer gelesen wurden; wenn in Rom, wo es keine Soldaten geben durfte, die Kämpfer des Marcus Antonius unwirsch wurden, sobald einer in ihrer Nähe ohne Respekt über Antonius sprach; wenn tatsächlich auf Sizilien und Sardinien, vielleicht inzwischen auch in Hispanien römische Legionen gegen römische Legionen kämpften, nicht zum Wohl von Senat und Volk, sondern für die Macht der jeweiligen Führer - war dann Caesar besser oder auch nur anders als Pompeius?
    Als Marius? Als Sulla? Oder wollte er etwas anderes erreichen? Aber wenn ja, was konnte es sein?
     
    Eines Abends kamen Orgetorix, Lugona und Aurelius von einem langen hinkenden Gang durch die Stadt und einem kurzen Fischessen in ihren

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