Cäsar
Hinterhof zurück. In Aurelius‘ Raum flackerte ein kleines Öllicht.
Mit blankem Schwert trat er ein. Auf dem Lager aus Strohsäcken und Decken saß Kalypso.
Sie wirkte müde. Unter ihren Augen waren Ringe, sie hatte weder Schmuck noch Schminke und trug eine schlichte lange Tunika aus heller Wolle, an den Hüften mit einer roten Schärpe umwunden.
»Uh«, sagte Aurelius. Er spürte, wie seine Knie weich wurden.
»Üppige Begrüßung.« Orgetorix stieß ihn an. »Kalypso, es ist eine Wonne, dich zu sehen. Das hier ist Lugona. Hast du viel Zeit mitgebracht?«
Sie schüttelte den Kopf. Ihre Blicke schienen Aurelius‘ Augen auszusaugen. »Orgetorix. Lugona. Nur eine Nacht.«
Der Gallier klatschte in die Hände. »Dann wollen wir uns beeilen, euch zu verlassen. Vielleicht sehen wir uns in drei Jahren wieder.« Er zog Lugona mit sich und schloß die Tür.
»Ach, Aurelius.«
Er kniete vor ihr nieder. »Weiche Knie«, murmelte er. »Wo bist du gewesen, während mein Leben ein Schatten war?«
Sie streckte die Hände aus. »Darf ich?« Es klang beinahe flehend. Er nickte, und sie legte die Handflächen an seine Wangen.
»In meinem Schattenleben«, sagte sie.
Er schnalzte leise. »Viele Schatten, viel Leben. Deinen Brief habe ich nicht bekommen; Quintus Cicero war noch einmal da und hat ihn verbrannt.«
»Es stand nicht viel darin.«
»Sag es mir, damit ich vielleicht heute verstehe.«
»Du klingst… bitter.«
Er lachte unterdrückt. »Sprudelnde Heiterkeit, die mich damals ergriff, hat mich bis heute nicht verlassen.«
»Ach, Aurelius.«
Die Stimme griff nach ihm, drang in ihn ein. Es war, als kräuselte sich seine Seele. Er beugte sich vor, schloß die Augen und atmete ihren Duft. Wolle. Ein Hauch von Salben. Eine Spur von Öl. Und viel Körper, köstlicher Körper, der gereist war und geschwitzt hatte und ihn mit Erinnerungen überwältigte. Erinnerungen, Begehren, Erinnerungen an Gier und Taumel und Schmerz. Und qualvolle Hoffnung, den Duft und das Begehren und die Wärme bewahren, in den nächsten Tag und das nächste Jahr retten zu können.
»Liebster«, sagte sie leise.
Er öffnete die Augen wieder. »Bin ich das?«
»Sei es.« Plötzlich lächelte sie. »Ermanne dich, es zu sein; gib dir einen Stoß und nimm mich endlich in die Arme.«
Später sagte sie, in dem Brief habe nur gestanden, alte Fesseln seien ihr durch einen unerwarteten Überbringer angelegt worden und zwängen sie, um ihr eigenes Leben und das einiger anderen zu retten; außerdem der Name einer Freundin in Rom, an die er sich wenden könne, wenn er sie suche.
»Wer ist die Freundin? Gibt es sie noch, oder ist sie abgereist wie so viele?«
»Sie ist geblieben. Hier und Freundin. Sie heißt Servilia und…«
Er richtete sich auf. »Die Servilia?«
»Mutter von Brutus. Und lange Zeit Geliebte Caesars Kennst du sie?«
Er zog die Decke wieder über sich und Kalypso; es war klamm in dem schäbigen Raum.
»Sie hat einmal, als ich für hochmütige Römer gekocht habe, mit mir gesprochen, als hielte sie mich für einen Menschen, nicht für einen Gegenstand. Wie hast du mich hier eigentlich gefunden?«
»Marcus Antonius läßt an den Toren alle untersuchen, die nicht eindeutig zum Markt wollen, oder so. Seine Leute haben mir gesagt, daß ich mich morgen früh bei ihm melden soll, Und ich habe sie gefragt, ob sie etwas von dir wissen.«
»Antonius? Was will er von dir?«
Sie zögerte, rollte sich auf die Seite, stützte den Kopf auf die rechte Hand und sah ihn an. »Ich weiß es nicht. Es hat wahrscheinlich mit den… Fesseln zu tun, verstehst du?«
»Als Caesars Stellvertreter«, sagte Aurelius langsam, »hat er auch Caesars Spitzel. Bist du eine von ihnen?«
»Ich bin vieles.« Sie gähnte. »Müde von der langen Reise, zum Beispiel.« Sie ließ die linke Hand auf seine Brust kriechen und wühlte im dichten Haar. »Hm. Da waren doch noch mehr Haare. Woanders.« Die Finger wanderten abwärts. »Wie müde bist du?«
Er drehte sich auf die Seite; sein Mund war kaum eine Fingerbreite vor ihren Lippen. Er berührte sie mit der Zunge.
»Nicht so sehr.«
Morgens blieb nicht mehr viel Zeit zu langem Reden. Kalypso wollte vor dem Besuch bei Marcus Antonius noch eine Freundin aufsuchen, um sich ein wenig frisch zu machen. Sie berichtete, während sie sich anzogen, sie sei mit einigen wohlhabenden Freunden - Aurelius fragte nicht nach Namen - im Süden gewesen, in Apulien, habe sich aber nicht dazu verstehen können, mit
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