Cäsar
hinter sich, hinter den Schreibtisch, und zog etwas hervor. Es schien schwer zu sein.
»Wenn alles wirklich vorbei ist, wollte ich dich mit einem besonderen Auftrag nach Rom schicken.«
»Was für ein Auftrag, Herr?«
»Ah, ich will dich nicht bestechen und nicht länger halten, als du bleiben magst.«
Aurelius grinste leicht. »Darf ich es trotzdem wissen?« Caesar klopfte auf den Beutel. »Wachstuch«, sagte er, »wasserdicht. Was ich beim Brand aus der Bibliothek gerettet und später schwimmend durch den Hafen zum Schiff gebracht habe. Ich wollte es dir, wenn hier alles gesichert ist, mitgeben, damit du es in Rom zu guten Händen hinterlegst.«
»Wer hätte denn in Rom gute Hände, Imperator? Und was ist es?«
»Servilias gute Hände. Calpurnia, meine treffliche Gemahlin, hat auch gute Hände, aber sie wüßte es nicht zu würdigen.«
Er hob den Beutel und setzte ihn auf Aurelius‘ Schoß. »Öff- ne und sieh. Als Athen einmal hungerte und kein Geld für Getreide besaß, hat einer der Ptolemaier dies als Sicherheit für Lieferungen verlangt. Als die Athener später bezahlen wollten, hat er auf das Geld verzichtet und… das da behalten.«
Aurelius hatte die Schnüre gelöst und aus der Öffnung zwei zusätzliche Schichten Wachstuch entfernt. Darunter waren Rollen, zahllose Rollen Papyrus dicht an dicht. Behutsam zog er eine heraus, unendlich behutsam entrollte er sie, um den alten, fleckigen, brüchigen Papyrus nicht zu beschädigen. Dann erstarrte er.
»Aristoteles und Aristophanes konnte ich so schnell nicht finden«, sagte Caesar mit einem Unterton des Bedauerns.
»Aber immerhin.«
›Wenn die Geschichten stimmen, die man sich erzählt‹, dachte Aurelius, ›ist dies die letzte Abschrift, von ihm selbst verfertigt. Und ich schände sie mit meinen Händen.‹ Ungläubig und zugleich voller Ehrfurcht schaute er auf Die Perser des Aischylos.
»Aischylos, Sophokles, Euripides«, sagte Caesar. »Wem soll ich sie denn nun anvertrauen, im Frühjahr?«
Zwei Tage später drehte der Wind und kam nun von Westen, nicht mehr von Norden. Aristeias ging an Bord eines Frachtschiffs, das ihn, immer den Küsten folgend, heimbringen sollte. Aurelius und Kalypso waren nicht an Bord.
In den Straßen floß weiter Blut. Nach einem der tausend Gefechte brachte Orgetorix Beute mit.
»Hat toll gekämpft«, sagte er. »Konnte ich doch nicht liegen lassen. Gute Feinde sind so selten.«
Die Beute war groß, schlank, sehnig, zweiundzwanzig Jahre alt und hieß Amundadat, Geschenk des Amun. Eine echte Ägypterin, die sich nicht entscheiden konnte, wen sie mehr haßte: die makedonische Unterdrücker-Schicht oder die römischen Emporkömmlinge. Den riesigen Gallier fand sie dagegen »niedlich«; bis ihre Wunden verheilt waren, hatte sie sich an Kalypso gewöhnt (»Athenerin? Das ist was anderes«) und ertrug sogar Aurelius - »ein Römer mag angehen, schlimm sind sie in der Menge«. Sie hatte keine Familie mehr, nach kurzer Zeit nannte Orgetorix sie Dada, sie ihn Gogo, und bald konnte sie dem Gallier und den anderen mitteilen, daß sie schwanger war.
Kalypso hatte immer mehr Zeit mit der ebenfalls schwangeren Kleopatra zu verbringen und wirkte gelegentlich ein wenig schwermütig.
»Sind es all die schwellenden Bäuche um dich her, die dir das Licht verfinstern?« sagte Aurelius, als sie zum ersten Mal seit etlichen Tagen Zeit füreinander hatten.
»So geschwollen sind die noch nicht. Damit hat es nichts zu tun.«
»Bist du dir sicher? Wir haben ja nie darüber geredet.«
Sie drehte ihren Zeigefinger in seiner Brustbehaarung, als wollte sie ihn nach und nach ganz aufwickeln. »Ich hätte davon gesprochen, wenn ich ein Kind wollte. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt eins kriegen könnte.«
»Warum?«
Sie gluckste. »Ich bin eine uralte Frau, Aurelius. Achtundzwanzig. Und ich habe jahrelang alles mögliche unternommen, um Kinder zu vermeiden. Alexandria im Krieg ist nicht der beste Ort dafür.«
»Viel gemütlicher ist es woanders auch nie gewesen.«
»Ja; aber das ist es nicht. Es ist…« Sie schwieg einen Moment. »Weißt du, ich war immer frei. Mit einer langen Kette an Ägypten gebunden, aber frei. Jetzt sind meine Geschwister nicht mehr in Gefahr. Ich stelle fest, daß ich sie kaum kenne und daß sie mich nicht kennenlernen wollen. Wir sind einander sehr fremd. Eigentlich könnte ich ohne Ketten aufflattern wie ein Vogel. Und jetzt bin ich in den Krallen von Kleopatra. Sie befiehlt, ich muß
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