Cäsar
aufzublicken. Aurelius hätte zu gern gewußt, was er dort kritzelte, ob er etwa wieder begonnen hatte, Verse niederzuschreiben.
»Orgetorix?« sagte er. »Kein verheißungsvoller Name, nicht wahr? ›Der Töter‹. So hieß der Helvetierfürst, mit dem angeblich dieser ganze Krieg begonnen hat.« Aurelius ging zu einem der Tische, goß Wein und Wasser in zwei Becher und deutete auf einen Schemel. »Setz dich. Was willst du von mir?«
»Angeblich?« Orgetorix ließ sich nieder und legte beide Hände um den Becher, trank aber noch nicht. »Magst du das erläutern, Herr?«
»Nein.« Bei allen Göttern, nein. Als Wirt oder auf einer Seereise sagen, was man von den vorgeschobenen Kriegsgründen hielt, war eines; als von Caesar eingesetzter Marschpräfekt… »Noch einmal: Was willst du?«
»Es gibt Gerüchte.«
Aurelius trank einen Schluck und wischte sich den Mund mit dem Handrücken. »Bei eurem Teutates, Mann - welche Neuigkeit! Die Welt besteht aus Gerüchten, sie wurde auf einem Gerüst aus Gerüchten errichtet, und von den Göttern des Olymp bis zu den Fischen des tiefsten Meeres tuschelt alles unausgesetzt. Was für Gerüchte?«
Orgetorix starrte in den Becher; er hatte immer noch nicht getrunken. »Kann ich offen sprechen?«
»Es wird dich weder den Kopf kosten, noch werde ich beim Abendmahl den Inhalt deiner geheimnisvollen Reden wiedergeben.«
»Ich war… bin römischer Bundesgenosse. Ich habe Caesar nach Norditalien begleitet; in meiner Abwesenheit haben sich meine Brüder auf die Seite der Aufständischen geschlagen. Sie gehorchen jetzt Vercingetorix.« Endlich nahm er einen Schluck; dann fuhr er fort. »Nicht alle. Einige sind, wie ich, der Meinung, daß Galliens Freiheit nur noch ein Traum ist und Roms Macht zu groß. Man hat sie entweder getötet oder verjagt; nun ziehen sie durchs Land und suchen eine Möglichkeit, in Würde zu überleben.«
Aurelius nickte. »Ein billiger Wunsch. Welchen Wunsch hast du, was dein weiteres Leben angeht?«
Orgetorix bleckte die Zähne. »Ich glaube nicht, daß uns je der Himmel auf den Kopf fallen wird; deshalb will ich so groß werden daß ich mit dem Kopf den Himmel einstoßen kann.«
»Ei« Aurelius lachte. »Nun gut. Und dein heutiger Wunsch?«
»Zwei Männer meines Volks sind gekommen, unterwegs. Sie haben Nachrichten mitgebracht.«
»Welche Nachrichten?«
»Das will ich dir gern sagen. Können die Männer im Lager bleiben? Als Kundschafter - wie ich?«
»Um in Würde zu überleben?« Orgetorix nickte.
»Meinetwegen. Vorläufig jedenfalls. Wenn sie sich bewähren, und wenn Caesar einverstanden ist. Nun sprich.«
»Ein Fürst, Lucterius, reist im Auftrag von Vercingetorix umher, nimmt von allen Völkern Geiseln und bereitet einen Vorstoß nach Süden vor - nach Narbo.«
Aurelius seufzte leise. »Das wissen wir doch. Deshalb ist Caesar eilig weitergeritten. Das ist nichts Neues.«
»Das nicht. Aber eure treuen Bundesgenossen, die Häduer, bereiten sich ebenfalls darauf vor, gegen Rom zu kämpfen.«
»Alle? Ein Teil?«
»Die Fürsten streiten.« Orgetorix schob die Unterlippe vor. »Ich kann dir keine Namen nennen, aber Caesar oder einer seiner besten Leute sollte schnell zu ihnen reisen, um sie daran zu hindern.«
»Das mag sein, aber ohne Namen ist das alles zu undeutlich. Gerüchte, wie du gesagt hast.«
Orgetorix leerte seinen Becher und stand auf. »Sobald ich mehr weiß, erfährst du mehr «, sagte er. »Aber weil du meine Brüder ins Lager aufnimmst, will ich dir noch etwas sagen.« Aurelius wartete, schaute den Gallier nur an.
»Caesar wußte, daß du kommen würdest.«
»Bist du dir sicher?«
Über das feingeschnittene Gesicht des ehemaligen Stammesfürsten huschte ein Lächeln. »Ich war bei ihm, in Mediolanum. Im Winter. Immer kamen neue Nachrichten aus Rom - die Machenschaften des Senats, die Ermordung des Clodius, die Ernennung von Pompeius zum alleinigen Konsul. Irgendwann war von Cornelius Balbus die Mitteilung dabei, Cicero habe den ehemaligen Centurio der Leibgarde, Quintus Aurelius, gekauft und als vergiftetes Geschenk nach Gallien vorausgeschickt.«
Aurelius nickte langsam. »Sollte mich eigentlich nicht überraschen.«
»Willst du wissen, was Caesar gesagt hat?«
»Ich lausche.«
Orgetorix ging rückwärts zum Zeltausgang; dabei sagte er:
»Er hat gelacht und gesagt: ›Aurelius läßt sich nicht kaufen. Nicht einmal von mir. Höchstens vom Schicksale Du siehst, man hält etwas von dir.« Er verließ das
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