Cäsar
Zelt.
Aurelius wandte sich um und betrachtete Catullus, der mit einem verqueren Lächeln auf den Schreibhalm schaute, den er langsam, beinahe nachdrücklich ins Tintentöpfchen steckte.
»Was soll mir dieses poetische Grinsen sagen?«
Der Dichter lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Ist es poetisch? Wenn du es sagst… ›Du siehst, man hält etwas von dir.‹ Hahaha. Und was hältst du von ihm?«
»Was ich von allen Überläufern halte. Er könnte nützlich sein, aber wir werden achtgeben.«
Zugleich sagte er sich, daß er ihm gefiel, dieser Gallier, der mit dem Kopf den Himmel einstoßen wollte. Überläufer oder nicht. In den Augen und den Mundwinkeln, soweit diese unter dem Schnauzengestrüpp zu sehen waren, steckte Witz. Und eine gewisse Schwermut, die sicher mit dem Verlust der Heimat zusammenhing und dem Witz möglicherweise die richtige Würze gab.
Für die hundertzwanzig Meilen von der Druentia bis Vienna hätte man unter anderen Umständen vielleicht sechs Tage benötigt; Aurelius hielt Eile jedoch für minder wichtig. Sie brauchten fünfzehn Tage, und als sie Vienna erreichten, waren sogar die herbsten der herben Centurionen einigermaßen zufrieden mit den neuen Leuten.
»Marschieren können sie«, sagte einer der Centurionen bei der letzten Abendbesprechung vor Vienna. »Um ein Lager zu bauen, brauchen sie nur noch doppelt soviel Zeit wie richtige Soldaten. Und wenn sie Glück haben, kriegen sie es mit gallischen Kindern zu tun, die mit Stöcken bewaffnet sind; das könnten sie überstehen.«
Abgesehen von den Versuchen, die Truppe auszubilden, gab es unterwegs nicht viel zu tun. Aurelius fühlte sich unterbeschäftigt und überbezahlt, aber er konnte ohnehin nicht damit rechnen, lange Marsch und Lagerherr zu bleiben. ›Spätestens demnächst‹, dachte er, ›werde ich für Caesar kochen dürfen. Wie schön. ‹ Vienna, Hauptort der Allobroger, wimmelte von Flüchtlingen aus dem Norden und Nordwesten. Weiter südlich, im Land der Vocontier, hatten die Späher immer wieder kleinere Trupps von Galliern getroffen, befragt und weiterziehen lassen. Die Grenze der römischen Provinz lag nicht weit nördlich von Vienna, und hier kamen alle zusammen, denen der Aufenthalt in den gallischen Landen zu gefährlich oder ungemütlich geworden war. Gallier waren dabei, romtreue Helvetier, ein paar Häduer und sogar Helvier aus den Bergen westlich des Flusses, aber vor allem Händler aus allen Ländern am Mittelmeer.
»Nicht ratsam, nachts in den Schänken von Vienna zu versacken«, sagte der Herr der römischen Festung, die ein Stück außerhalb der Stadt lag. »Es gibt lange Messer, und Römer sind nicht bei allen beliebt.«
»Kannst du es den Galliern verdenken?« sagte Aurelius.
»Caesar hat mich hierhergeschickt, um die Grenze der Provinz zu schützen, nicht, um mich mit den Gemütern der Gallier abzugeben.«
»Ist das eine ohne das andere möglich?«
Sextus Aponius Mico war Anfang vierzig, grauhaarig und untersetzt, und als Militärtribun war er Aurelius übergeordnet. Als Lager und Festungsherren wurden Tribunen eigentlich nicht verwendet, aber Vienna war zu bedeutend. Für Caesars Unternehmungen in Gallien gab es zwei Nachschubstrecken, über Narbo und über Vienna, und die letztere war die wichtigere. Etwa drei Viertel aller Truppen, Waffen, Lebensmittel und sonstigen Versorgungsgüter kamen hier an, um verteilt und weitergeleitet zu werden. Und die Provinzgrenze war zu hüten, ebenso die nicht zweifelsfrei unverbrüchliche Treue der Allobroger. ›Wenn es schon in Viennas Nächten lange Messer gab‹, dachte Aurelius, ›hielt man sich besser in der Festung auf, die Raum für bis zu vier Legionen bot; und die Leitung der Festung übertrug man lieber einem erfahrenen, zuverlässigen Offiziere Mico antwortete zunächst nicht auf Aurelius‘ Frage. Er goß Wein und Wasser nach und schob ihm den Becher hin. Dann stützte er das Kinn auf die gefalteten Hände und knurrte: »Galliergemüter. Römergemüter. Die Empfindungen der Natter beim Biß. Das Leiden des Blitzes beim Einschlag. Ich habe mich um Steine, Schwerter und Brot zu kümmern. Um alles andere nur, wenn es fördert oder behindert.«
»Gibt es neue Nachrichten?«
»Nichts, was du nicht unterwegs schon gehört hättest. Wir wissen nicht, wo der erhabene Herr sich gerade aufhält. Er hat Reiter geschickt…«
»Von Arelate; ich weiß.«
»Also wird er früher oder später wollen, daß sie irgendwo
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