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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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den Nebenkammern des Holzhauses. Auf dem Tisch im Hauptraum flackerte ein Öllämpchen. Catullus, der die Pritsche in der rechten Ecke zwischen zwei Fenstern gewählt hatte, richtete sich auf, als Aurelius eintrat.
    »Na?«
    »Was heißt na?«
    »Was hat die schöne Frau gesagt? Getan? Unterlassen?« Aurelius öffnete den Gürtel, um sich zu entkleiden. »Hast du sie gesehen?« sagte er verblüfft.
    »Warum hätte ich vorhin sonst so gegrinst, du Trottel?«
    »Wann denn? Gesehen, meine ich, nicht gegrinst.« Catullus tastete im Halbdunkel auf dem Boden herum, fand den abgestellten Becher und trank. »Ah«, sagte er. »Ganz trinkbar überhaupt, der Wein hier. Aber du kommst ja gar nicht zum Trinken, nicht wahr? Also, sie war hier, hat nach dir gefragt. Muß unterwegs gehört haben, daß die Truppe einen neuen Imperator hat. Na, nun sag schon!«
    Aurelius zögerte; dann sagte er: »Ich war nicht bei ihr. Müde und schmutzig, verstehst du?«
    »Schmieriger Narr! Ich habe ihr gesagt, daß du Caesars Fußlappen waschen und Getreidekörner zählen mußt. Fand sie schmackhaft, glaube ich. Sie sagt, sie weiß, wie sich Männer anfühlen, die hart gearbeitet haben, und ganz gleich, wie spät es wird, du sollst zu ihrem Wagen kommen. Wenn du magst.«
    »Und wenn ich nicht mag?«
    Catullus stieß ein dumpfes Ächzen aus. »Dann bist du dümmer als der Trottel, für den Cicero dich hält. Mann, sie ist selbst hergekommen, statt eine Dienerin zu schicken! Willst du eine Aufforderung in Versen? Jetzt gürte deine Lenden wieder und verschwinde. Halt, trink einen Schluck; spül dir den Mund aus, damit du nicht nach dem Tag und den Plagen des Lagers schmeckst.«
    Aurelius trank. Wie im Rausch ging er zurück zu dem Reisewagen, aus dem er Kalypsos Stimme gehört hatte. Es war ein zweiachsiger Wagen, fast zweimal mannshoch; aus einer Luke im Dach kam ein wenig Licht - ›Lichtblasen, die zum Himmel steigern, dachte er. Wahrscheinlich gab es irgendwo noch eine weitere Öffnung für Luft, aber alles andere war harte Ober- fläche, keine Vorhänge, sondern festes Holz mit Beschlägen. In der Festung mochte es zur Abwehr zudringlicher Männer dienen, unterwegs war es sicher hilfreich gegen nicht allzu schwer bewaffnete Wegelagerer.
    Er klopfte leise an die Fläche am Heck, die er für eine Tür hielt.
    »Wer ist da?«
    Ah, die Stimme… Er holte Luft und sagte leise: »Ein verirrter Gastwirt aus der Nähe von Tusculum.«
    Er hörte Riegel, die verschoben wurden; dann öffnete sich die Tür. Gegen das matte Licht aus dem Inneren sah er nur einen Umriß. Und er spürte die Hand, die nach seiner faßte und ihn in den Wagen zog.
    »Fürstin«, sagte er.
    Sie hatte geruht, wenn auch nicht geschlafen. Im Schein des seitlich aufgestellten Öllichts sah er die Kissen und Dekken eines breiten Lagers, sah das locker fließende Gewand aus dünnem Stoff, sah die Augen, diese Sternaugen und das Lächeln, und hörte sie sagen: »Rede nicht, komm und küß mich.«
    Sie legte ihm die Arme um den Hals, und er atmete ihren Duft. Dann fühlte er die Lippen, die Zunge; mit ungeheurem Kraftaufwand - so kam es ihm jedenfalls vor - schob er sie ein wenig von sich und sagte heiser: »Fürstin, ich bin müde und schmutzig und betäubt von deiner Nähe, die ich nicht verdiene.«
    Sie lachte. »Ich weiß, wie Männer riechen und schmecken, die Arbeit verrichten. Weißt du, wie langweilig weiche gesalbte Leiber sind? Komm.«
    Sie zog ihn zum Lager, streifte ihr Gewand ab und sah zu, wie er sich entkleidete. Als er das Lämpchen löschen wollte, sagte sie: »Laß; auch die Augen wollen lieben.«
    Ehe sie viel später einschliefen, redeten sie. Wahrscheinlich nicht einmal eine halbe Stunde lang, aber es kam ihm vor wie eine köstliche Ewigkeit. Was sie sprachen, hatte keine Bedeutung; es waren keine wichtigen Mitteilungen, ein paar Erinnerungsfetzen aus Kinderzeiten, ein paar Verse, wundersam aIberne Vergleiche - wichtig war für ihn nur das Reden selbst, in Reichweite ihrer Augen, umgeben von ihrem Duft, gebadet von dieser warmen rauhen Stimme. Kein Wiehern, keine Soldatenflüche, kein eintöniges Trampeln von zehntausend Füßen, sondern Wörter: kluge und lächerliche, streichelnde und gehässige, Wörter, die die Welt herbeiriefen und dann wieder ausschlossen. Es war, als hätten sie einander immer schon gekannt und lange Zeit nicht gesehen.
    Im Einschlafen dachte er daran, daß er sie fragen wollte, welche von tausend Arten der Traurigkeit in ihren Augen

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