Cafe con Leche
begleiten uns immer wieder. Im
Hintergrund die hohen Berge. Viloria, dem Geburtsort des Heiligen Domingo,
lassen wir zu unserer Linken liegen. Dann geht es hoch auf 800 Meter nach Belorado.
Klingt immer noch wie el Dorado, kommt es mir wieder in den Sinn. Bald schwirrt
das Wort wie ein Singsang durch meinen Kopf. Weiter! Immer weiter! Ich kann
nicht mehr, will aber auch nicht stöhnen. Die ganze Zeit laufen wir parallel
zur N-120. Endlich haben wir Villamayor del Río erreicht und ich lasse mich
dort an dem Brunnen auf eine Bank fallen und schnalle den Rucksack ab. Mir
zittern die Hände von der Anstrengung. Christine ist noch gut dabei. Ihr Knie
hat nicht geschmerzt. Meine Schultern sind total verspannt. Chris füllt unsere
Wasserflaschen mit frischem Quellwasser auf.
„Zehn
Minuten Pause, Chris!”, sage ich nur zu ihr.
Das
kalte Wasser tut gut und belebt. Nach einer Zigarette gehen wir weiter. Mein
Rucksack wiegt immer noch so schwer auf meinem Rücken. Die Erde ist trocken und
staubig. Die Luft ist heiß. Auf einem riesengroßen Feld sind Maschinen zugange,
die wie Mähdrescher aussehen. Am Feld angekommen, steigt mir ein süßlicher
Geruch entgegen.
„Riechst
du das auch, Chris? Mmh — lecker! Aber woran erinnert mich das?”
Chris
schüttelt den Kopf und zieht die Schultern hoch. Dann, wie ein Geistesblitz
ruft sie: „Mama, das sind Erbsen!”
So
weit das Auge blickt nur Erbsenfelder. Die großen Maschinen, die in der Ferne
zugange sind, holen die Erbsen aus den Schoten und schon kullern diese in die
riesigen Tanks. Das erinnert mich an früher, als wir als Kinder gemeinsam in
der Küche saßen und die Erbsen aus ihren Schoten herausschälen mussten. Ich
klettere die Böschung hinunter aufs Feld und packe mir die Taschen voll mit
Erbsenschoten, während ich mir dabei Erbsen in den Mund stopfe. So süß, wie bei
uns sind sie zwar nicht, aber sie sind genießbar und manchmal schmecke ich die Süße raus. Mit vollen Taschen und vollen Händen kraxel ich die Böschung wieder hoch. Chris mag nicht allzu
viel davon essen. Die Magen-Darmgrippe sitzt ihr noch im Kopf und sie hat
Angst, von den rohen Erbsen Bauchschmerzen zu bekommen, was ich gut verstehen
kann. Aber ich kann mich nicht zügeln und schlage mir den Bauch voll. Nun hab
ich einen Kullererbsenbauch. So viele rohe Erbsen? Höre ich vielleicht schon
Grummelgeräusche in meinem Bauch? Alles bleibt ruhig! Ich habe Durst, aber...
Auf all die rohen Erbsen Wasser ?, geht es mir durch
den Kopf. Aus Angst vor einer eventuellen Kolik ist mein Unternehmen „Wasser
trinken“ gescheitert. Keine rohen Erbsen, kein Obst während des Laufens mehr,
denke ich mit Wehmut und gehe die nächste Stunde mit viel Durst weiter. Das
mache ich nicht noch einmal! Unterwegs rohes Gemüse zu essen.
„Auf
zum letzten Akt!”, rufe ich Chris zu und weiter geht es nach Belorado, mein El
Dorado. Unser Weg führt uns auf die Landstraße. Lkws donnern an uns vorbei und
die, die uns entgegenkommen, grüßen hupend. Durch den Fahrtwind muss ich
ständig meinen Hut auf dem Kopf festhalten. Nun habe ich schon einen Sonnenhut,
jedoch hat der keine Bändchen zum festzurren. Dieses Gehampel bin ich leid! Es nervt! Ich brauche freie Arme und befestige den Hut
kurzerhand mit einer Sicherheitsnadel am Rucksack. Eine Sicherheitsnadel für
irgendetwas dabei zu haben, ist immer gut! Die letzten zwei Kilometer bis
Belorado werde ich wohl keinen Sonnenstich kriegen! Die Straße zieht sich und
ich habe das Gefühl, nicht von der Stelle zu kommen. Chris läuft ein Stück
voraus. Es ist so heiß, dass die Straße, in der Ferne flimmert. Das
Ortseingangsschild Belorado haben wir erreicht, aber der Weg zur Herberge zieht
sich. Unter Bäumen setzen wir uns im Schatten auf eine niedrige Mauer. Eine
Stunde nach meinem Erbsenrausch ist sicherlich schon vorbei und ich wage es,
ganz vorsichtig ein paar Schlückchen Wasser zu trinken. Zwei große
Kartoffelberge liegen offen in der Sonne. Ein alter Mann mit einer Tüte in der
Hand nimmt sich welche mit. Als er unsere erstaunten Gesichter sieht, winkt er
uns einladend dazu ein, auch welche zu nehmen.
„Das
ist hier Selbstbedienung”, meint er. „Die Kartoffeln braucht keiner mehr. Die
verrotten hier nur.”
Das
soll dann aber wohl mächtig stinken, gebe ich ihm zu verstehen und halte mir
die Nase zu.
„Sí,
sí”, lacht er und geht mit seiner vollen Tüte von dannen.
Ich
bin doch sehr erstaunt, was hier am Wegesrand und in den Feldern alles so
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