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Cafe con Leche

Cafe con Leche

Titel: Cafe con Leche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agathe Hanses
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teilweise sehr kühl ist, ist es schon eine
schöne Sache, bei dieser Kälte eine heiße Tasse Kaffee trinken zu können. Wir
haben zwar unseren Gaskocher dabei, der uns sehr gute Dienste leistet und wir
dadurch auch Geld einsparen, aber nachmittags lob ich mir doch mal ein oder
zwei Tassen Café con leche. Am Café drücken wir uns alle herzlich und wünschen
uns einen buen camino.
    Chris
und ich sind wieder alleine unterwegs. Der Weg zur Stadt hinaus ist durch viele
Baustellen geprägt und teilt sich hinter der alten Pilgerbrücke, die über den
Oja führt. Guter Rat ist mal wieder angesagt, aber niemand ist da, den wir nach
dem Weg fragen könnten. Wir entscheiden uns, von der Landstraße rechts in den
Feldweg zu gehen. Parallel zur Straße. Nach gut einem Kilometer Fußmarsch hören
wir Lärm, der von der Landstraße zu uns herüberschallt. Ein paar Leute stehen,
fuchtelnd mit ihren Armen, dort.
    „Was
ist das?”, frage ich Chris. Sie holt die Kamera aus ihrem Rucksack und zoomt
das Geschehen heran. Also, die Fantasie hat sie sicherlich von mir mit
bekommen!
    „Das
sind Anne, Elena und die anderen”, sagt Chris. „Sie winken uns zu. Ich glaube,
wir gehen den falschen Weg.”
    So
trotten wir brav zur Landstraße zurück und die Begrüßung des Wiedersehens ist
groß und herzlich. So ist das auf dem Camino. Leute, mit denen wir eine
Zeitlang gehen, auch wenn es vielleicht nur eine kurze Zeit ist, wachsen uns
ans Herz. Dann werden Erfahrungen ausgetauscht. Oft höre ich dann, was andere
dazu bewogen hat, diesen Pilgerweg antreten. So trägt nicht nur jeder seinen
Rucksack, sondern auch noch sein eigenes Päckchen obendrein. Manchmal ist es
mit viel Sorgen bespickt. Anderes wiederum beinhaltet sehr viel sportlichen
Ehrgeiz. Und mein Päckchen? Ich habe mich schon oft auf diesem Weg nach dem
Sinn meines Pilgerns gefragt.
    Die
Entscheidung und die Frage, ob meine Tochter mit mir gehen will, kam ganz spontan aus dem Bauch heraus. Aber diese Spontaneität
beantwortet nicht meine Frage. In St.-Jean-Pied-de-Port stand für mich fest,
dies wird der Weg werden, auf dem ich ein anderes, vielleicht
freundschaftlicheres Verhältnis zu meiner Tochter finden kann. Nicht mehr so
die Mutter-Tochter-Rolle. Darüber habe ich auch mit Chris geredet und sie
findet diesen Vorsatz auch gut, denn ich tue mich im Loslassen meiner Tochter
schwer. Oft gängel ich sie zu sehr, was ich aber
wiederum unter dem Begriff Fürsorge einordne. Dadurch entsteht viel Spannung
zwischen uns. Jeder von uns meint, der andere verstehe ihn nicht. Aber je mehr
ich nun diesen Weg gehe, desto mehr drängt mich die Frage nach einem anderen
Warum? Im tiefsten Innern bin ich ein gläubiger Mensch und ein Blick in meine
Bibel hat mir schon oft den Weg zu einem besseren Zusammenleben mit mir und
meinen Mitmenschen gezeigt. Natürlich kommt so etwas nicht von heute auf
morgen. Es bedarf schon seine Zeit, bis es dann Klick macht. Aber die Auseinandersetzung
damit ist für mich schon wichtig. So frage ich mich fast täglich auf meinem
Weg, was der andere Sinn meines Pilgerns sei? Als ich vor Jahren durch meine
Scheidung auch noch finanzielle Sorgen erlitt, geriet ich als alleinerziehende
Mutter in eine schwere Lebenskrise. In einer Therapie fand ich ansatzweise
Hilfe. Der Therapeut erwähnte häufig den Satz von Konfuzius: Der Weg ist das
Ziel. Dieser Satz fällt mir auf dem Jakobsweg sehr oft ein. Der Weg ist das
Ziel! Aber ich kann ihn nicht greifen. Der Weg ist das Ziel? Oder eher: Der Weg
führt zum Ziel?
    Zweiteres
beherzige ich erst einmal für mich. Ich möchte demütig werden. Bescheiden und
ergebener in meinem Schicksal. Nicht immer nach dem vielleicht besser sein der
anderen schielen und mich dadurch minder fühlen. Mit meiner Seele zum Ziel
gehen! In Bewegung bleiben! Geistig und körperlich mitwachsen! Verändern,
erneuern! So, wie es Konfuzius wohl meint. So werde ich vielleicht erst in
Santiago de Compostela mein innerliches Ziel wissen. Oder auch vielleicht erst
nach dem Pilgern.
    Sorge,
dass die Frage nach dem Warum unbeantwortet bleibt, übermannt mich. All diese
Gedanken jagen mir durch den Kopf, während wir umkehren. Ich verdränge sie.
Nein! Sagt mein inneres Stimmchen zu mir. Ohne Schwäche gibt es keine Stärke
und ohne ein Tief erfolgt auch kein Hoch! Diese Ansicht hilft mir doch, meiner Seele ein Stück weit näher zu kommen. Bis Santiago
sind es noch an die fünfhundertfünfzig Kilometer. Da kann ich noch frohen Mutes
sein. Die Hoffnung

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