Cafe con Leche
deutschen Volkslied, das ich sehr
mag und das da lautet: Grünet die Hoffnung, halb hab ich gewonnen, blühet die
Treue, bald hab ich gesiegt. Ist mir mein Glücke nicht gänzlich zerronnen,
wahrlich so bin ich von Herzen vergnügt. Kummer und Plagen will ich verjagen,
wer mich wird fragen, dem will ich sagen: Grünet die Hoffnung...!
Die
Sonne scheint, es wird endlich wärmer und wir erreichen nach gut dreieinhalb
Stunden San Juan de Ortega. Mein Gott, wir sind im wahrsten Sinne des Wortes
überm Berg! Jetzt wird erst mal eine Pause gemacht. Die nassen Sachen werden
hinter einem Gebüsch gewechselt, der Kopf trocken gerubbelt, Chris holt den
Kaffeekocher heraus und wir trinken eine wunderbare, lecker schmeckende Tasse
Kaffee nebst den runden Marienkeksen, die mit Bananenscheiben belegt sind.
Christines kulinarische Kreation, die sehr schmackhaft ist! Die Wolken haben
sich gänzlich verzogen und el sol scheint wieder in ihrer ganzen Pracht.
Bis
Agés kann es nicht mehr weit sein und wir sind euphorisch über die geschaffte
Wegstrecke. Ich muss an die Marathonläuferin denken, die wir kurz hinter
St.-Jean-Pied-de-Port getroffen haben. Wir waren heute mindestens genauso
schnell unterweg und das erfüllt mich mit Stolz.
Die
Herberge, die Guido uns gestern Abend empfohlen hat, ist sonntags leider
geschlossen. Es ist noch Zeit, weiterzugehen und so brechen wir Richtung Cardeñuela-Riopico
auf. Dort gibt es auch eine Herberge. Wir sind heute so gut drauf, dass wir die
neun Kilometer auch noch schaffen werden. Atapuerca, eine kleine Ansiedlung von
ein paar Häusern, einer Herberge und einem Restaurant, lassen wir hinter uns.
Der
Weg steigt mal wieder steil an und die nächste Geröllpiste liegt vor uns.
Knorrige Olivenbäume stehen am Wegesrand und wieder sind wir die Einzigen auf
breiter Flur. Sind wir eigentlich auf dem richtigen Pfad? Aber die gelben
Pfeile sind gut sichtbar an den kleinen Felsen zu sehen. Ich stolpere über die
losen Steine fast vier Kilometer bergauf. Der Boden ist ausgetrocknet und die
Temperatur beträgt mindestens fünfunddreißig Grad. Ob es hier wohl Skorpione
gibt ?, geht mir durch den Kopf.
„Chris!
Pass auf, wo du läufst! Nicht, dass du plötzlich auf einen Skorpion trittst.
Vielleicht fühlen die sich hier oben in der Hitze wohl”, rufe ich ihr zu, wohl
eher in meiner Angst, selber von einem gestochen zu werden. Oben auf dem
Plateau steht ein fast acht Meter hohes Kreuz. Vielleicht ist es höher. Im
Schätzen bin ich nicht so versiert. Ein hoher Steinhaufen, der von all den
Pilgern, die ihre Sorgen mit einem Stein an diesen Ort niederlegen, ist vor dem
Kreuz aufgeschichtet. Chris, die eher oben ist, hat schon einen Stein dazu
gelegt. Dann hab auch ich den Anstieg geschafft und suche mir auch einen Stein.
Ich lege ihn auf den Steinhaufen und auch ich verbinde damit alle Sorgen, die
ich hier ablegen darf. So viele Steine! So viele Menschen, die ihre Sorgen oder
ihren Ballast hier lassen können. Klar, meine Sorgen sind nicht wie
weggeblasen, aber alleine dieses Tun, einen Stein auszusuchen, ihn mit einem
Bittgebet zu Gott auf all die anderen zu legen, gibt mir Kraft.
Über
eine kaum befahrene Landstraße kommen wir nach Cardeñuela-Riopico. Es gibt
keine Bäume, die Schatten spenden könnten. Und dann sehe ich plötzlich etwas
und will meinen Augen nicht trauen. Da steht doch, für sich so ganz allein, ein
Cola-Automat am Straßenrand. Nicht kaputt! Nein, er ist voll betriebsfähig! Ein
Elektrokabel führt bis zu einer Halle, die von uns circa zweihundert Meter
entfernt ist.
„Chris,
guck mal! Der ist bestimmt für uns Pilger! Damit keiner in dieser Affenhitze
vor Durst umkommt!” Wir stecken einen Euro in den Schlitz und rums, kommt uns
eine kalte Colaflasche entgegen. Da sage mal einer, die Spanier sorgten nicht
für das leibliche Wohl ihrer Pilger!
In
dem kleinen Ort angekommen, fragen wir nach der Herberge und erfahren von einer
älteren Señora, dass es die Albergue de Peregrinos seit drei Jahren nicht mehr
gibt.
„Versuchen
Sie es in Orbaneja-Riopico. Das ist der übernächste Ort”, sagt sie zu uns.
Wir
bedanken uns höflich und sind leicht frustriert, da wir körperlich und psychisch
an unsere Grenzen gekommen sind. Also, der übernächste Ort. Dann werden wir es
wohl geschafft haben! Mittlerweile ist es achtzehn Uhr. Wir sind seit elf
Stunden unterwegs. Das nenne ich eine beachtliche Leistung! Nach zweieinhalb
Kilometer sind wir am Ziel. In der Dorfmitte treffen wir
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