Cafe con Leche
stirbt im allgemeinen zuletzt! Und
ich habe viel Hoffnung in mir! Das gibt mir wieder Kraft, weiter zu gehen.
Der
Himmel ist mit Wolken behangen und ich bin froh, mein langärmeliges Hemd
anzuhaben. Es ist immer noch kühl und diesmal hoffe ich darauf, dass mir beim Laufen
warm wird. Mein Rucksack will überhaupt nicht richtig sitzen. An manchen Tagen
sind es die Schuhe. Heute ist es der Rucksack. Fast alle Meter halte ich an,
zupfe hier, ziehe da, heb ihn hoch, schieb ihn nach links, um ihn dann wieder
nach rechts zu schieben. Heute ist der Wurm drin! Der Rucksack will einfach
nicht sitzen. — So kann ich nicht weiter gehen. Da scheuer ich mir ja den
Rücken auf, denke ich mir. Dieses Hin- und Hergeschiebe stresst mich. Ich werde
sauer. Die Träger sind noch genauso lang wie gestern und es ist auch nichts an
Gewicht hinzugekommen! Also, Träger lösen, Träger wieder festzurren! Was für ein Gehampel! Die spanische Familie ist in der weiten
Landschaft nur noch als Punkt zu erkennen. Heute dauert es schon seine Zeit,
bis ich mit meinem Rucksack im Einklang bin. Vielleicht bin ich auch heute
nicht so gut drauf. Sei’s drum! Wenn wir uns beeilen, holen wir die Spanier
sicherlich noch ein. Es geht’s nach Belorado, was in meinen Ohren wie El Dorado
klingt.
Die
Landschaft ist schön und die Hügel fallen weich ins Tal. Viele Kornfelder und
Weinberge, wofür die Region Rioja bekannt ist, sind zu sehen. Leider kann ich
keinen Mundraub begehen; die Trauben sind noch nicht reif. Die Menschen hier
leben von der Agrarwirtschaft und als ehemalige Landwirtin weckt das mein
Interesse. Die Bauern fahren PS-starke Traktoren. Mähdrescher von
überdimensionaler Größe sind hier keine Seltenheit. Die Felder verschmelzen
teilweise mit dem Horizont. Hier wird geklotzt! Einzelne, bearbeitete Parzellen
gibt es hier nicht. Also, agrar-mäßig ist hier viel los! Das Land liegt offen.
Wälder oder Wald gehören dem gestrigen Tag an. Der Weg ist staubig und das
Gehen auf dem Kiesweg strengt mich an. Die Wolkendecke hat sich verzogen und el
sol lacht wieder gnadenlos vom Himmel. Ich habe das Gefühl, durch einen großen
Backofen zu laufen. Schweiß tropft mir von den Augenbrauen auf die Augenlider.
Alles an mir klebt. Wieder halte ich an. Diesmal um mir ein kurzärmeliges
T-Shirt anzuziehen. Chris und ich reden nur das Nötigste, ansonsten laufen wir
schweigend nebeneinander her. Jeder in seiner Anstrengung. Das Einzige, was zu
hören ist, sind ihre Wanderstöcke. — Klack, klack, klack! So hänge ich, wie
immer meinen Gedanken nach oder zähle im Kopf meine Schritte im Takt, um im Laufrhythmus
zu bleiben. Klack, klack, klack. Eins — zwei — drei — vier. Eins — zwei — drei
– vier... Wir laufen stetig bergauf. In den Pyrenäen habe ich mich noch
gefreut, wenn es bergab ging. Doch mittlerweile weiß ich, dass jedes bergab
auch ein bergauf bedeutet. Ich schaue mir abends zuvor nicht mehr die
Tagesetappen auf der Karte an, so wie Chris es macht. Dann weiß ich vorher
wenigstens nicht, was mich am anderen Tag erwartet.
Mein
Gott, muss denn alles hier berghoch und bergrunter gehen? Mein innerer Schweinehund
will wieder loslegen. Doch diesmal behalte ich die Oberhand. Jetzt wird nicht
mehr gemurrt! Jetzt wird gegangen! Nach den heutigen anfänglichen
Schwierigkeiten, gehen wir zügigen Schrittes. Das kleine Grañón liegt in einem
Tal. Hier soll die originellste Herberge auf dem Jakobsweg liegen. Der Pfarrer
und einige Dorfmitglieder sind die Gastgeber der Herberge. Einen Herbergshund
soll es auch geben. Aber für uns geht es weiter nach Redecilla, um von dort
aus, ohne Rast zu machen, nach Castildelgado zu kommen. Bis Santiago de
Compostela sind es noch 576 Kilometer! Den ganzen Weg über habe ich nicht
gestöhnt, doch jetzt brauche ich eine Pause. Christine stimmt zu. Gott sei
Dank! Diese Hitze! Dieser Anstieg! Wir sind fix und fertig. Die Region Rioja, dem
großen Weinanbaugebiet Spaniens, lassen wir heute hinter uns und kommen ins
Castilla y León und somit in die Nordmeseta.
„Wenn
der Camino nicht hier herginge, wäre so manche Ortschaft aber arm dran”, sage
ich zu Chris, während wir draußen unter einem Sonnenschirm unsere Cola
schlürfen.
Selbst
in den kleinsten Ortschaften gibt es meistens eine Bar. Aber ich bin heute so
rastlos, dass ich nicht, wie sonst bei einer Pause zum Schreiben komme. Diesmal
bleibt es nur bei einer Cola, dann sind wir auch schon wieder unterwegs.
Kornfelder, wohin das Auge nur blickt,
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