Café der Nacht (German Edition)
nicht makellos, hier war ein vorwitziger Leberfleck, dort eine rätselhafte Narbe, doch in Maxims Augen machte Monroedas nur attraktiver. Er fragte sich unvermittelt, wie seine Haut wohl duften mochte, und konnte Schamesröte in seine Wangen schießen fühlen. Sein Herz pochte stürmisch. Die ganze Situation war getränkt mit einer Intimität, die ihm gänzlich fremd war. Er wusste nicht, was er tun, wie er sich verhalten sollte. Sollte er sprechen? Schweigen? Monroe schwieg, und so tat er es ebenfalls.
Die sorgsame Prozedur des Schminkens geschah mit routinierter Hand. Gerade so viel Make-up , um feminin und doch natürlich zu wirken. Gebannt verfolgte Maxim die gekonnten Bewegungen, den sicheren Strich, mit dem die Augenbrauen stilisiert wurden. Er lehnte sich gefesselt vor, um zu verfolgen, wie fein gespitzter Kajal und Wimperntusche die schönen Augen zu Katzenaugen machten. Unaufdringlicher Lidschatten in Brauntönen. Zartes Rouge wurde sanft mit einem großen Pinsel auf den Wangen verteilt, und schon wirkte alles weicher. Monroes Mund wurde mit etwas Farbe und Gloss zu Vidas sinnlichen Lippen.
„Und jetzt?“, fragte er leise, als Monroe umgezogen war und ans Fenster trat. Monroe steckte sich eine Kippe an, während er hinausblickte. Vida rauchte nicht. Trotz Schminke und Kostüm, er war unverkennbar noch er selbst. Maxim sah es an der Art, wie er sich bewegte, und spürte es einfach.
Der andere sah ihn nicht an, als er ebenfalls leise antwortete. „Wir warten.“
„Worauf?“
Monroe sah sich kurz zu ihm um und lächelte vage, fast nachsichtig. „Das geht nicht mit einem Fingerschnippen. Das kommt, wenn es kommt.“
* * *
Maxim wusste sofort, dass die Verwandlung stattgefunden hatte. Kurz zuvor hatte Monroe die Zigarettenkippe zum Fenster hinausgeschnippt. Seine Haltung änderte sich plötzlich. Gleichsam schien die Stimmung in dem kleinen Raum umzuschlagen, eine andere Schwingung ihn zu erfüllen. Maxim beobachtete gebannt, wie Vida sich langsam zu ihm umdrehte.
„Hallo“, grüßte er atemlos.
Sie lächelte und betrachtete ihn kurz, bevor sie herüberkam und sich neben ihn setzte.
„Das ist eigenartig“, bemerkte Maxim.
„Ja, das ist es.“
„Ich habe dich schon lange nicht mehr gesehen.“
Vida nickte. Für einen Moment sah sie müde aus. „Ariel braucht mich eben.“
„Er braucht professionelle Hilfe.“
Vida seufzte leicht. Offensichtlich hatte sie darüber auch schon nachgedacht. „Und wie sieht die aus? Medikamente, die ihn ruhigstellen. Doch dann kann er nicht malen.“
„Ist denn das so wichtig? Wichtiger, als gesund zu werden?“
„Es ist das Einzige, das für ihn zählt.“
„Dann braucht er noch mehr Hilfe, als ich dachte.“
„Werd nicht zynisch, Maxim. Das passt nicht zu dir.“
Er sah rasch weg, doch er konnte Vidas Blick auf sich fühlen.
„Hast du immer noch nicht verstanden, was die Kunst bedeutet für diejenigen, die sie schaffen?“
Maxim wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er starrte unangenehm berührt auf den Bildband in seinen Händen. Sein Herz klopfte heftig.
„Du kannst Kritiken schreiben über Kunstwerke, soviel du willst. Das gibt dir noch lange kein Recht, über die zu urteilen, von denen sie stammen.“
„Jetzt fühle ich mich schlecht“, gab Maxim zu.
Vida schmunzelte und wies auf das Buch. „Was wolltest du mir zeigen?“
Er sah sie an und schüttelte den Kopf. „Eigentlich ... eigentlich unwichtig.“ Ihm war durch und durch heiß, als sie seinen Blick erwiderte. Vidas Augen, Monroes Haut ... er konnte nicht mehr klar denken. Er schien nur noch aus Sehnsucht und Verlangen zu bestehen. Das alles war einfach zu viel. Er wusste nicht, wie es geschah, doch irgendetwas übernahm die Kontrolle. Wie von selbst lehnte er sich hinüber, sachte, langsam, und küsste Vida, sanft und behutsam. Vidas Lippen waren weich und warm.
Maxim öffnete langsam die Augen. Er blickte direkt in das unergründliche Grün. Sah, was in den Tiefen ihres Blickes geschah. Ein Erkennen, Verstehen. Und sofort darauf eine tiefgehende, so ohnmächtige Traurigkeit, dass Maxims Kehle schlagartig wie zugeschnürt war. Er begriff nicht, was hier gerade vor sich ging, aber ihm war klar, dass er etwas Falsches getan hatte. Etwas Unverzeihliches.
Maxim war so bestürzt, dass er sich weiß werden fühlte. „Entschuldige“, flüsterte er.
Vida erhob sich wortlos. Maxim spürte intuitiv, dass er etwas zwischen ihnen zerbrochen hatte. Es war, als ob er
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