Café der Nacht (German Edition)
beobachten könnte, wie Monroes Gesicht die magische Wandlung durchlief, wie er wieder zu sich selbst wurde. Monroe hob langsam die Hand und zog die dunkle Perücke von seinem Kopf. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung, kein Gefühl. Doch sein Blick traf Maxim bis ins Mark. Als er die Stille brach, war seine Stimme rau und abweisend. „Bist du jetzt zufrieden?“
Maxim erwiderte nichts. Er konnte nichts sagen.
„Ich hätte es wissen müssen. Dir geht es auch nur um sie, genau wie Ariel.“
„Aber ...“
„Geh“, sagte Monroe leise, aber scharf, und wies auf die Tür. Rasch senkte Maxim den Blick und setzte sich wie automatisch in Bewegung. Monroe blieb regungslos stehen, stolz und aufrecht in seinem stummen Zorn. Kaum hatte Maxim die Tür hinter sich geschlossen, hörte er, wie drinnen grausam klirrend das Spiegelglas zerbarst. Krachend flogen Möbel gegen die Wand. Maxim konnte es noch hören, als er an seinem Pensionszimmer anlangte. Er blieb noch kurz im Gang stehen, mit hängenden Armen, und zuckte jedes Mal zusammen, wenn es unten in dem kleinen Raum laut wurde. Er fühlte sich hilflos, verstört und schrecklich schuldig. Wie ein begossener Pudel zog er sich in sein Zimmer zurück. Er wusste nicht, wie er Monroe beibringen sollte, dass das alles nicht stimmte. Es war niemals Vida gewesen, die er wollte. Er wollte nur ihn . Niemanden außer ihn. Von dem Moment an, als er ihn zum ersten Mal gesehen hatte, auf dem Tisch herumwirbelnd, sein unbezähmbarer Faun. Maxim hatte wirklich alles versucht, um es vor sich selbst zu verleugnen, um seine Gefühle zu unterdrücken, zu verbergen. Ihm war plötzlich so klar, was er bisher nicht gemerkt hatte: Vida war ihm schon lange nicht mehr wichtig. Vida war wunderbar, aber sie war nicht Monroe. Und Monroe war der Einzige, der für ihn zählte.
Erst eine gute Stunde später wagte Maxim sich wieder ins Stockwerk darunter. Die Tür zu Vidas Zimmer stand offen, drinnen heillose Verwüstung. Er schluckte schwer, schockiert. Er traf Dela an, die einige der zerfetzten Kleider in den Händen hielt. Nichts von Vidas Dingen war heil geblieben. Monroe hatte gründliche Arbeit geleistet. Dela sah Maxim an, zutiefst beunruhigt. Er schluckte. „Das ist meine Schuld.“
„Wovon redest du?“
„Ich habe etwas Unverzeihliches getan.“ Er atmete tief durch. „Er hat sie zerstört, nicht wahr? Er hat sie einfach vernichtet. Und ich bin schuld daran.“
Sie sah ihn rätselnd an, dann ließ sie die Kleider zu den anderen auf den Boden gleiten. „Ich wusste, so etwas würde irgendwann passieren. Um genau zu sein, ich habe es gehofft.“
„Gehofft?“, fragte Maxim entgeistert. „Du hast ihn nicht gesehen. Du hast nicht sein Gesicht gesehen. Ich muss unbedingt mit ihm reden.“
„Ach Liebes.“ Dela kam zu ihm herüber und strich ihm über den Arm. „Ich fürchte, das wird leider nicht gehen. Dean ist fort.“
„Wie meinst du das, fort? Fort wohin?“
„Ich weiß es nicht. Merlyn hat mir gesagt, dass er gesehen hat, wie er gegangen ist. Er hatte seinen Seesack gepackt.“
„Wir müssen ihn suchen!“
Rufus trat aus dem Arbeitszimmer und kam zu ihnen herüber. Er sah ernst aus. „Ich fürchte, du wirst niemanden suchen gehen, Maxim. Gerade hat eine Hilda Wegreuther für dich angerufen.“
Maxim blinzelte, konnte sich kaum für eine neuerliche Erschütterung wappnen. „Das ist unsere Haushälterin. Was ist passiert?“
„Es ist dein Vater. Du sollst sofort nachhause kommen. Er hatte einen Schlaganfall.“
Südfrankreich, Bayreuth
Das Brummen des mächtigen Lastwagens, das Schaukeln der Hydraulik, ein erhebendes Gefühl. Die Autobahn fraß sich schnurgerade Richtung Westen durch die verschneite Landschaft. Monroe hatte den Kopf an die Nackenstütze gelehnt und starrte träge durch die große Frontscheibe. Der Mann hinter dem Lenkrad nannte sich Gunni, seine Bärenprankenhände steuerten routiniert den kraftvollen Zwölftonner. Sein Gesicht war rund und freundlich, er stank nach Schweiß. Anfangs hatte er ziemlich viel gequatscht, es aber bei der Einsilbigkeit seines Fahrgastes bald aufgegeben. Nun überdudelte das Autoradio die Stille. Auf dem Cockpit stand ein gruseliger Wackelweihnachtsmann, der ihm unverdrossen zunickte. Monroe hatte ihn für eine Weile angewidert und seltsam hypnotisiert betrachtet, jetzt beobachtete er das weiche Schneeflockengeriesel, das die Scheibenwischer beharrlich fortfegten. In der herabsinkenden Dämmerung sah der Schnee
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