Café der Nacht (German Edition)
„Wie ist es dir ergangen? Wohin bist du gestreunt?“
„Ganz nach Norden und ganz nach Süden. Mir fiel plötzlich auf, dass ich noch nie in Norwegen war.“
„Hat es dir gefallen?“
Er lächelte versonnen. „Vielleicht. Kein schlechter Platz zum Leben.“
„Für dich? Mitten in der Einöde?“ Sie lachte. „Du würdest eingehen.“
„Nein. Das glaubt ihr alle nur. Die Bühne, na gut, die liebe ich eben. Aber ich brauche sie nicht. Ich brauche nichts von alldem.“
Dela wusste, dass das stimmte, und sie beneidete ihn manchmal darum. „Was ist mit Maxim?“, fragte sie unvermittelt.
„Was soll mit ihm sein?“
Dela lächelte. „Er liebt dich.“
Dean lächelte und sah weg. „Keine Ahnung.“
„Tu nicht so. Das weißt du doch längst, du Racker.“
„Eigentlich dachte ich bisher, dass er ...“
„... Vida liebt?“ Dela schmunzelte. „Vida war nur sein Weg zu dir. Mehr nicht.“
„ Ich weiß nicht, ob das stimmt.“
„Das tut es. Glaube mir. Du hast nicht gesehen, wie er darunter gelitten hat, dass du so lange weg warst.“
„Das beweist noch gar nichts.“
„Du bist doch sonst nicht so zögerlich.“
Ihr Neffe runzelte die Stirn. „Mit ‚sonst‘ hat das hier nicht das Geringste zu tun.“
Dela lächelte warm und schüttelte ungläubig den Kopf. „Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Dir ist es ernst mit ihm.“
„Blödsinn“, wehrte sich Dean, doch Dela ließ sich so leicht nicht täuschen.
„Das ist doch wunderbar!“
Er sah sie aus schmalen Augen an. „Misch dich da nicht ein, okay?“
„Gut, versprochen. Aber Tintin, tu mir einen Gefallen. Verzichte nicht auf dein Glück, aus Angst, es wieder zu verlieren. Einen Menschen zu brauchen ist nicht dasselbe, wievon ihm abhängig zu sein.“
Dean rollte die Augen. „Sind wir jetzt fertig?“
„Er ist gut für dich, Liebes.“ Schmunzelnd fügte Dela hinzu: „Und aus mir unerfindlichen Gründen scheinst auch du gut für ihn zu sein.“
Dean blies ungeduldig eine Haarsträhne aus der Stirn. Er sah nachdenklich aus. „Wird sich noch zeigen.“
Delas Geheimnis
H E U T E
Maxim und Rufus fanden Hummelig im halbdunklen Zuschauerraum des Varietés, wo er gemeinsam mit seiner hageren Assistentin Rosa die Proben einer Akrobatentruppe beobachtete. „Herrgott noch mal Theo“, polterte der Alte gerade, den dicken Hals so weit, wie möglich, nach hinten gedreht, um einen unsichtbaren Beleuchter über dem Rang zu schelten. „Wenn ich sage, mehr Licht, dann meine ich mehr Licht !“ Sofort wurde der Spot auf der Bühne merklich heller.
„Gustav, dein Blutdruck“, meldete Rosa sich pflichtbewusst. Hummelig winkte nur seufzend ab und tupfte sich mit seinem großen Stofftaschentuch die Stirn. Er war so aufmerksam in das Geschehen auf der Bühne versunken, dass er gar nicht bemerkte, dass Rufus und Maxim sich näherten, bis Rosa sich räusperte.
„Entschuldigung, die Herren, aber wir haben geschlossen.“
Rufus trat heran, die Hände in den Manteltaschen vergraben. „Aber doch nicht für alte Freunde, oder Gustav?“
Als Hummelig aufsah und Rufus erkannte, stieß er einen Laut des Erstaunens in der Lautstärke eines Braunbären aus, und lachte herzlich über das ganze Gesicht. Es gab ein großes Hallo. Um die Proben nicht zu stören, zog man sich rasch in Hummeligs sauberes, kleines Büro zurück, das beherrscht wurde von einem Ungetüm von Ohrensessel. Rosa wurde beauftragt, im Saal zu bleiben und ja keine Fehler durchgehen zu lassen. Ein Perfektionist blieb eben ein Perfektionist. Nachdem Rufus kurz und schnörkellos, die, wie er scherzte, traurige Geschichte seines Lebens erzählt hatte, kam er ohne weitere Umschweife zur Sache. Maxim war froh, dass sein Freund die Dinge in die Hand nahm. Sein Taktgefühl hätte ihm die Sache erheblich erschwert.
„Jetzt spuck’s aber mal aus, du alter Fuchs. Du hast doch diese Briefe von Dela im Café deponiert, habe ich recht?“
Hummelig sah ihn einen Moment lang mit vollkommener Unschuldsmiene an. Als er merkte, dass er damit nicht durchkommen würde, lachte er verlegen. „Da habt ihr mich wohl ertappt.“
Maxim und Rufus tauschten einen Blick, und erst jetzt ließen sie sich auf der engen Couch neben Hummeligs überdimensionalem Sessel nieder, die im Vergleich dazu wie eingelaufen wirkte.
„Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?“, wollte Maxim wissen.
„Na, ich hatte es Fräulein Dela doch hoch und heilig versprochen, was?“
„Wann hast du mit ihr
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