Café der Nacht (German Edition)
allzu gut, aber gut genug, um ihr sehr dankbar zu sein.“
„Ja, wer kennt sie schon wirklich“, bemerkte Maxim nachdenklich. „Ich weiß fast gar nichts über sie.“
„Von allen rätselhaften Frauen ist sie die rätselhafteste.“
„Ach, ich weiß nicht. Ich kenne noch eine Rätselhaftere. Aber die ist nicht wirklich eine Frau.“ Als Leander ihn fragend anblickte, schmunzelte Maxim. „Das ist eine längere Geschichte.“
Nach Ende der Vorstellung kamen alle drei zufrieden und aufgelockert aus dem kleinen Kabarett, hatten sie sich doch in den vergangenen eineinhalb Stunden alles gründlich von der Seele gelacht. Es fiel Maxim schwer, sich von Florentine zu verabschieden.
„Schaust du mal im Café vorbei?“
„Klar! Wir beide, nicht wahr, Leander? Wir müssen doch nachsehen, ob man dich auch gut behandelt.“
Maxim lächelte spitzbübisch. „Sie halten mich in Eisenketten, bei Wasser und Brot.“
Florentine mimte Entsetzen. „Oh Schreck. Verzweifle nicht! Wir werden dir eine Feile reinschmuggeln.“
Lachend trennten sie sich. Sie drückte ihm zum Abschied einen kleinen Kuss auf die Wange, der ihn seltsam verlegen machte. Maxim sah den beiden nach, dann ging er in entgegengesetzter Richtung davon. Er fragte sich, wo er wohl heute wäre, wenn er Florentine nie getroffen hätte. Sie ahnte ja nicht, wie dankbar er ihr wirklich war.
* * *
Es war spät geworden an jenem Ruhetag. Die Pensionsbewohner und einige Freunde hatten ausgelassen mit Dela im Kellergewölbe zusammengesessen. Mittlerweile hatten sich die meisten von ihnen zurückgezogen. Nur Dela, Merlyn, Monroe und Maxim waren noch übrig geblieben, zu vertieft in eine angeregte Unterhaltung, um der Zeit Beachtung zu schenken. Monroe war in Bestform und glänzend aufgelegt, vollgepumpt mit Energie und Scharfzüngigkeit. Er sah unwiderstehlich aus im weichen Licht. Die von dicken Tropfengebilden überzogenen Kerzen auf dem Tisch rochen nach Ruß und Wachs. Das flackernde Licht ließ Monroe je nach Einfall wie einen Engel oder einen Dämon erscheinen.
„Wenn man dir so zuhört, könnte man glauben, es sei eine Sünde, vor irgendetwas Respekt zu haben“, schmunzelte Dela und nippte an ihrem Rotwein.
„Wenn es was gibt, dann sind es ganz sicher nicht die Menschen. Es gibt keine Unfehlbarkeit. Respekt und Ehrfurcht fördern nur die Dummheit.“ Maxim musste bei Monroes brennenden Worten lächeln. In seinen radikalen Ansichten lag für ihn stets Stoff zum nachdenken.
„Wenn du mich fragst, Respekt verdient nur die Kunst“, fuhr Monroe leidenschaftlich fort. „Kunst ist weder Wahrheit, noch Lüge. Sie kann etwas aussagen, aber sie muss es nicht. Diese Freiheit muss man ihr lassen.“
„Wenn das so ist, dann darf man Kunst also nicht interpretieren?“, hakte Dela mit einem verschmitzten Lächeln nach.
Monroes Augen blitzten schalkhaft. Er genoss das Gespräch sichtlich. „Klar darf man! Solange man sich nicht anmaßt, seine Meinung sei bedeutungsvoll. Ich meine, sieh sie dir an, diese Kultursnobs, die sich aufgeilen an ihrer eigenen Intellektualität! Mit ihren näselnden Stimmen und ihren bedeutungsvollen roten Schleifen am Revers! Denkst du, Exklusivismus dient der Kunst?“
Merlyn seufzte beipflichtend. „Er drängt sie ab in eine Nische.“
Monroe sah ihn an und kippte seinen Whisky. „Wir müssen die Kunst zurück auf den Boden holen, hinein in unser Leben. Was glaubt ihr, warum zum Beispiel Shakespeare so geliebt wird? Weil er Poesie des Ur-Menschlichen ist. Weil er es Schönheit mit Bosheit treiben lässt. Weil er über Leidenschaften spricht. Über das, was wir sind. In jedem steckt ein Shylock, ein Romeo, ein Caliban. Das erreicht uns, weil wir mitfühlen müssen . Weil es aus unserer Mitte kommt. Und jeder Zuschauer, egal aus welcher Schicht er stammt, weiß das, spürt das, erlebt sich in seinem Werk.“
„Aber nicht alle Kunst ist so direkt und gegenständlich“, merkte Dela an.
„Ich sage nicht, dass sie es sein soll. Mich stört dieses elitäre Drumrum. Die Menschen sind nicht so blöde. Sie wittern Arroganz. Wenn die Kunst nicht zu den, aus den Leuten kommt, kommen die Leute auch nicht zu ihr.“
Dela lächelte in sich hinein. Maxim fühlte sich fast beschwipst von Monroes Worten, die wie Peitschenhiebe über den Tisch knallten. Ihre Augen trafen sich über den Tisch hinweg. Er musste unwillkürlich schlucken, ein leises Kribbeln durchfuhr ihn. Monroe schenkte sich nach und schüttete sich die goldbraune
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