Café der Nacht (German Edition)
Flüssigkeit beiläufig hinter die Binde. Er seufzte leicht, doch der Kampfgeist blitzte in seinem Blick.
„Die Welt, in der wir leben, ist bedeutungslos, hohl, sinnentleert. Medien, Konzerne, AGs und die ganze verlogene Politik – wir werden manipuliert von vorne bis hinten. Für alles gibt es Charts, Umfragen und Studien – und was sagen sie aus? Gar nichts! Wen interessiert das, wie viel Prozent der Bevölkerung ins Schwimmbecken pissen? Versteht ihr? Sie geben uns das Gefühl, dass sie genau wissen, wie wir denken und ticken. Und die Marketing-Psychologie glaubt, sie hat uns in der Hand, weil sich Joghurt besser verkauft, wenn er von halbnackten Weibern angepriesen wird. Ist das der Mensch? Ist es so einfach? Ist das wirklich alles, was wir sind? Ehrlich, seht euch doch mal um, seht euch diesen Wahnsinn an! Unser kleines, heiles Fastfood-Seifenoper-Börsenkurs-Plastik-Paradies!“ Er schnaubte verächtlich und kippte mit dem Stuhl gefährlich weit nach hinten, gerade noch in Balance. „Es geht nur um Gefügigkeit und unseren Geldbeutel. Man hat uns erfolgreich alle Werte abtrainiert und uns auf Werbeslogans abgerichtet. Und jetzt läuft alles aus dem Ruder. Wir sind beschissen worden. Es gibt niemanden, der heute noch die Frage stellt, was der Mensch ist. Stattdessen setzt irgendeine bestochene Kommission fest, ab wann ein Embryo Mensch genannt werden darf. Was für ein absurder Mist ist das denn? Es geht nur noch um Macht, Mann, um den Versuch, die Kontrolle zu behalten. Dabei weiß heute keiner mehr, wer die Kontrolle eigentlich hat.“
Maxim schüttelte beklommen den Kopf. „Du machst mir echt Angst, wenn du so redest.“
„Gut“, meinte Monroe dunkel. „Wird langsam Zeit, dass du rauskommst aus dem Kaninchenbau, Kleiner.“ Er brachte den Stuhl mit allen Beinen auf den Boden zurück und lehnte sich vor, näher zu ihm. Maxim konnte seinen heißen Atem spüren, schwer von Alkohol und gleichsam zartstreichelnd auf seinem Gesicht. Er bekam Gänsehaut, konnte Monroes intensivem Blick kaum standhalten, und doch nicht wegsehen.
„Die Welt ist leer, Meinig, verstehst du? Sogar unsere Träume werden uns noch teuer aufgeschwatzt. Die Leute sagen immer, so kann es nicht weitergehen. Jemand muss was tun. Tja, schätze, dieser Jemand macht gerade Urlaub, was?“ Das Feuer seiner Worte flammte dämonisch in Monroes Augen. „Es gibt nur eins, das noch einen Sinn macht“, fuhr er leiser, ruhiger, und darum ums o eindringlicher fort, „die Kunst. Die Kunst ist die einzige Chance, die wir noch auf Freiheit haben. Die Kunst oder der Tod, Mann. Es gibt nichts anderes. Sie kann uns hinausführen über das Dahinvegetieren von Schlachtvieh. Sie kann uns aus dem Herzen sprechen und trotzdem Ideal sein. Sie braucht keinen Sinn, keinen Marktwert, keine Absicht, sie braucht nur zu sein . Die Kunst ist die Hoffnung des Menschen auf ein Mehr.“
Er machte eine kleine Pause, bevor er den Gedankenfaden weiterspann. „Aber was machen wir aus ihr, verdammt? Theatermacher feiern ihr Ego, während sie die Bühnen schließen, weil Verkopfung und Snobismus das Publikum vergrault haben. Ich sage euch, in ein bis zwei Generationen wird es keine Theater mehr geben. Wir wollen Kunst fühlen , nicht denken. Die Kunst ist das Menschlichste und Göttlichste an uns. Sieh dich um, Meinig, und sag mir, wem ist daran gelegen, wem nutzt es, wenn wir das vergessen?“
Leicht benommen von seinem rasanten Gedankenkarussell, nickte Maxim langsam. „Ich glaube, ich weiß, was du meinst.“
Monroe lächelte lakonisch. „Gut. Was also wirst du tun?“
Verunsichert wechselte Maxim einen Blick mit Dela, die mit leichtem Lächeln gelauscht hatte. Etwas Wissendes lag in ihrem Blick, eine geerdete Weisheit. Sie gab ihm keinerlei stumme Hilfe an die Hand. Auch Merlyn lächelte nur.
„Na ja“, erwiderte Maxim daher lahm. „Was sollte ich schon tun können?“
„Ach ja, ich vergaß. Jemand muss etwas tun.“ Monroe betrachtete ihn mit spöttischem Grinsen. „Und du bist schon viel zu beschäftigt damit, niemand zu sein.“
Maxim blieb der Mund offen stehen und eine Antwort im Halse stecken. Getroffen starrte er auf die Holzmaserung des Tisches hinab.
„Das war jetzt unnötig“, meldete sich Merlyn zu Wort.
Monroe überhörte das und sah Maxim weiter scharf an. „Wie lange willst du hier noch den armen, hilflosen Kleinen geben, Meinig? Du hast so viel Angst vor dem Leben, dass mir schlecht wird.“
Es tat verdammt weh, von Monroe so
Weitere Kostenlose Bücher