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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Julieva
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lag. Der Wagen rollte los.
    „Wieso machst du das?“, fragte er Vida leise.
    „Weil du es nicht machst.“ Sie betrachtete ihn einen Moment lang mit ihren schönen, dunkel geschminkten Augen. „Wir müssen nicht, wenn du nicht möchtest.“
    Maxim sah aus dem Fenster. „Nein.“ Er atmete durch. „Nein, du hast recht. Ich hatte es mir vorgenommen, als ich herkam. Jetzt ziehen wir das auch durch.“
     
    Es war eine Straße alter, wuchtiger Villen, der Gehsteig von den Bäumen großzügiger Gärten beschattet. Vögel zwitscherten, irgendwo bellte ein Hund. Bilderbuchidyllisch. Man kam sich vor, als ob man sich in einer ganz anderen Stadt befände. Es war wohltuend grün, friedlich und seltsam abweisend hier. Die hohen Zäune und Mauern wirkten alles andere als einladend. Es war eine Straße, die man entlang spazierte, um zu träumen, wie es wohl wäre, sich ein solches Leben leisten zu können. Die, welche es konnten, spazierten hier nicht. Sie fuhren höchstens in großen Limousinen an andere unerschwingliche Orte. Kein Mensch weit und breit. Das Leben spielte sich im Inneren ab, hinter den spiegelnden Fenstern, verborgen.
    „Welches ist es?“
    „Das da drüben müsste es sein“, antwortete Maxim und fühlte sich seltsam beklommen, als sie stehen blieben und die in blassem Gelb getünchte Villa auf der gegenüberliegenden Straßenseite betrachteten. Sie musste Ende des 19. Jahrhunderts erbaut worden sein. Klassizistischer Schmuck verzierte über den hohen Sprossenfenstern das Mauerwerk. Es gab einen Erker und eine schöne Gaube im hohen Dachstuhl. Fünf Stufen führten zur Eingangstür hinauf. Das elegante Tor zwischen den hohen Pfosten war geschlossen. Vida überquerte die Straße und Maxim folgte ihr zögernd. „Fernleitner“ stand neben der Klingel. Maxim starrte hinauf zu den vielen Fenstern. Welches hatte wohl seiner Mutter gehört? Sein Herz schlug heftig.
    „Willst du nicht klingeln?“
    „Oh. Nein. Wir haben keinen Kontakt mehr zu meiner Familie mütterlicherseits seit ... Wir haben keinen Kontakt. Ich kenne sie kaum.“
    „Das ist schade.“
    „Ja.“ Maxim war für einen Moment, als könnte er die Haustür aufspringen und seine junge Mutter lachend herauslaufen sehen, gefolgt von ihren beiden Schwestern. „Das Haus ist schön, oder?“
    „Maxim, du solltest wirklich klingeln. Dir ihr Kinderzimmer zeigen lassen. All das.“
    „Nein, ist schon gut. Ich wollte es nur mal sehen.“ Er fühlte Vidas Blick auf sich, doch sie sagte lange nichts.
    „Es tut mir leid“, meinte sie schließlich. Ihre Stimme war sanft.
    Überrascht sah er sie an. „Was tut dir leid?“
    „Ich hätte dich nicht herbringen sollen. Es macht dich traurig.“
    „Nein, ich möchte dir danken“, erwiderte er aufrichtig. „Ich hätte das sonst vielleicht nie gemacht.“ Nach einem letzten Blick auf das Anwesen wandten sie sich gemeinsam ab und schlenderten weiter. „Ich vermisse sie“, meinte Maxim leise. „Immer, wenn ich an sie denke, vermisse ich sie noch genauso, wie am ersten Tag.“
    Vida nickte, als ob sie das Gefühl nur allzu gut kannte. „Über manche Verluste kommt man nie hinweg. Vielleicht heilt die Zeit keine Wunden, sie deckt sie nur gut zu.“
    Maxim betrachtete sie aufmerksam. „Wer ist es bei dir gewesen?“, fragte er behutsam, doch Vida antwortete nicht und lächelte nur versonnen, dieselbe Traurigkeit in den Augen, die sich in seinen fand.
     
    * * *
     
    „ L'amour est un oiseau rebelle que nul ne peut apprivoiser ... “, sang Merlyn leise Carmens Habanera. „Die Liebe ist ein widerspenstiger Vogel, den man nicht zähmen kann.“ Sie blickten beide zu Nona hinüber, die auf der Kellertreppe saß und mit katzenhafter Anspannung das Geschehen um die kleine Bühne herum beobachtete. Während draußen ein lauer Wind mit zarten Wölkchen spielte, ging im Gewölbe eine lautstarke Bandprobe vonstatten. Merlyn hatte den kuriosen Haufen angeschleppt. Seitdem missbrauchten sie die heiligen Hallen als Proberaum und traten hier an Samstagabenden auf. Die Fiesen Enkel nannte sich die siebenköpfige Band, die es irgendwie schaffte, Ska mit Punk und Jazzelementen zu verbinden. Die eigenwillige Mischung war kultverdächtig. Vollkommen klar also, dass das Café der Nacht als kreativste Keimzelle der Stadt die Band promotete. Vero nannte sich die exzentrische Sängerin, die zu ihrem knallrot gefärbten Lockenkopf und Soldatenstiefeln schon mal ein babyrosa Ballkleid trug. Sie redete laut, doch ihre

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