Café der Nacht (German Edition)
war der Ruhepol, das Zentrum, das er sein Leben lang gesucht hatte. Und nun, da er ihn gefunden hatte, hatte er Skrupel. Konnte Max nicht einfach vereinnahmen. Max war gerade erst dabei, herauszufinden, wer er selbst war. Monroe durfte, konnte ihm das nicht nehmen. Dafür bedeutete Max ihm einfach zu viel.
Monroe nahm einen tiefen Zug von der Zigarette, inhalierte den rauen Rauch und hielt ihn lange fest, bevor er ihn ausblies. Er mochte den süßlichen Geruch von Gras und das wohlige Gefühl der Schwere, das es in seinen Körper zauberte. Als würde es ihn an die Erde heften. Er musste unvermittelt an Gypsy denken, an den ersten Joint, den er geraucht hatte, stibitzt aus ihrer Nachttischschublade. Er war mal wieder abgehauen damals. Seine Rippen hatten noch geschmerzt von der letzten Tracht Prügel seines Vaters. Er hatte Gypsy immer und überall aufspüren können, als gäbe es eine geheime Verbindung zwischen ihnen, eine Nabelschnur, die sie verband. Sie war vielleicht auch die einzige wirkliche Mutter gewesen, die er je gekannt hatte. Lola war alles gewesen, nur nicht das. Gypsy war diejenige, die ihm gezeigt hatte, wie man überlebte.
„Wer wollen wir heute sein?“, hatte sie stets mit einem Lächeln beim Frühstück gefragt, während Lola im Zimmer nebenan ihren Rausch ausgeschlafen hatte.
Monroe hatte als fünfjähriger Dreikäsehoch gerufen: „Ein Pirat. Und eine Königin!“
„Oh prima! Dann will ich der Pirat sein.“
Er hatte vorwurfsvoll den Kopf geschüttelt. „Aber ich bin doch der Junge. Ich kann nicht die Königin sein!“
Gypsy hatte nur geheimnisvoll gelächelt. „Du kannst alles sein, was du willst. Du kannst in jede Rolle schlüpfen und dir ihr Leben zueigen machen, wenn es dir hier zu schwer wird. Und lass dir niemals von irgendjemandem etwas anderes sagen.“
Monroe musste lächeln bei dem Gedanken daran. Gypsy hatte ihn gelehrt, wie eine Katze immer auf die Füße zu fallen. Wenn der Schmerz zu tief wurde, wenn Lolas Schatten drohte, ihn zu verschlingen, dann waren ihre Lektionen sein Rettungsseil.
„Woran denkst du?“ Max hatte unbemerkt von der Zeitung aufgesehen und blickte ihn aus seinen intelligenten braunen Augen an.
Monroe zuckte die Achseln. „Nichts.“
Amüsiert lächelte der andere. „Gratuliere. Offenbar hast du eine wichtige Stufe der Zen-Meditation gemeistert.“
Monroe grinste und gab ihm einen spielerischen Tritt, da er nun mal so gut neben seinen Füßen platziert war.
„Hey!“ Max lachte. „Keine Gewalttätigkeiten!“ Seine eigenen Worte Lügen strafend, versetzte er ihm einen Klaps aufs Schienbein.
Mit einer flinken Bewegung setzte Monroe sich auf, der Schalk blitzte in seinen Augen. „Suchst du Ärger, Kleiner?“
Max grinste ihn an, ein unwiderstehliches Strahlen im Gesicht. „Unbedingt.“
Monroe lachte und verwuschelte ihm die weichen dunklen Locken. Max setzte zum Gegenangriff an, und lachend tollten sie eine Weile auf dem Sofa herum, wie junge Hunde. Bis sie beide plötzlich innehielten, ihre Gesichter ganz nah beieinander, ein wenig atemlos und unbekümmert strahlend. Die Luft zwischen ihnen schien zu prickeln. Monroes Herz klopfte verräterisch schnell. Alles in ihm drängte, zog ihn zu Max, schmerzlich schön. Er spürte sein Verlangen wachsen, wie sein Pulsschlag beschleunigte. Er konnte kaum atmen, und alles, wegen diesem seltsamen, wunderbaren, andersweltlichen kleinen Kerl, der im Begriff war, ihm sein Herz zu stehlen, ganz und gar. Monroe wurde klar, wie dicht er dran war, Maxim zu küssen, und zog sich ruckartig zurück, ernüchtert, wie aus einem Traum erwacht. Max war fast im selben Moment etwas zurückgewichen.
„Ich muss gehen“, sagten sie beide nahezu gleichzeitig. Verlegenheit hing plötzlich in der Luft, tonnenschwer. Hastig faltete Maxim die Zeitung zusammen und reichte sie Monroe.
„Danke fürs Borgen.“
Monroe nahm sie nicht. „Behalt sie. Ist vielseitig einsetzbar.“
Max musste lachen. „Du meinst, wenn man Wände streicht oder Fenster putzt?“
„Oder wenn das Klopapier ausgeht.“
Der andere schüttelte lächelnd den Kopf über ihn und erhob sich. Er wandte sich zum Gehen, hielt jedoch inne. „Schaust du heute nach der Vorstellung rein?“
Monroe zuckte leichthin die Achseln und drückte den Joint im Aschenbecher aus. „Kann schon sein.“
„Dann bis dann.“ Max lächelte. Er kannte ihn inzwischen gut genug, um die vage Aussage richtig zu verstehen.
Monroe sah ihm versonnen nach, wie er mit
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