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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Julieva
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leichtem Hinken den Raum durchquerte und über die Treppe nach oben verschwand, die Zeitung fest unterm Arm.
    „Still“, raunte Monroe in Gedanken ungeduldig seinem schnell klopfenden Herzen zu. „Krieg dich bloß wieder ein!“
     
    * * *
     
    Vida dehnte sich und reckte ihre steifen Glieder, als sie sich erhob. Sie schmunzelte. „Warum tue ich mir das bloß an für dich?“
    Ariel lachte. Er wischte mit dem Handrücken einen winzigen Fussel vom Papierbogen. „Ich bilde mir auch etwas darauf ein, der einzige Mann zu sein, der dich zum stillsitzen bewegen kann.“
    Sie zwinkerte ihm zu, als sie herüberkam. Das Licht im Atelier war mild, es dämmerte. Sie trat hinter ihn und schaute ihm über die Schulter, legte ihre warme Hand auf seinen Nacken. Ein schlanker Schatten fiel über das Papier. Ariel sah zu ihr auf, während sie die eben fertiggestellte Detailstudie betrachtete. Ein wunderbares Lächeln erschien auf ihren Lippen, die Augen weich. „Was soll ich dazu nur sagen?“
    Behutsam griff er ihre Hand und betrachtete sie, während er sie über ihr gezeichnetes Abbild hielt. „Die Kunst ist banal“, meinte er versonnen.
    „Nicht deine.“ Ihre Finger glitten unter seinen hindurch, als sie sich sachte zurückzog. Sein Blick folgte ihr nicht, verweilte auf dem Ergebnis ihrer Sitzung, während sie gemächlich den Raum verließ. Ihr Duft blieb dezent zurück, ein Hauch wie Samt, tiefgrün. Das Rauschen in seinen Ohren war meergleich heute, nahezu friedvoll. Sie fehlte ihm.
    Die langen Wochen, in denen Vida ihm nur Dean gewesen war, hatten sich zwischen sie gedrängt. Da war weit mehr, von dunkler Tragweite, mehr als er zu sehen vermochte. Ariel hatte es kaum gekannt, ihr zweites Leben. Die Art, wie ihre Stimme klang, wenn sie nicht sie selbst war. Der veränderte Ausdruck in den Augen, weit wie der Himmel und ebenso unerreichbar. Die Grobheit, die ihn bestürzte. Wie ein unzähmbares Tier, in sich selbst gefangen. Nun war Vida ihm fern, selbst noch in der wunderbarsten Nähe. Er war nicht mehr derjenige, bei dem sie sein wollte.
    Ariel sah Vida noch deutlich vor sich an dem Abend, an dem er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Paris, Montmartre, sich hinaufwindende Gassen, Mittsommer. Sie und ihre Begleitung lachten unbeschwert, Freiheit im Klang ihrer Stimmen. Der Sonnenuntergang warf einen zarten Schein von korallrosa auf ihr makelloses Gesicht. Er stand noch minutenlang regungslos da, nachdem sie vorübergegangen war. Er konnte es kaum glauben, als er ihr ausgerechnet in seinem Hotel wieder begegnete. Tags darauf, in dem schäbigen, kleinen Frühstücksraum, ausgebleichter roter Teppich voll dunkler Flecken unter dem wackeligen Tisch, die erste Unterhaltung, gräulicher Kaffeegeruch. Sie verstand, er wusste nicht, wieso, aber sie verstand vollkommen, als könnte sie in ihn hineinsehen mit diesem unglaublichen Blick.
    „Ich würde alles geben, um dich zu malen“, hatte er gesagt, einfach so. „Du bist wie die Welt, eingeschlossen in einen Menschen.“
    Sie schien sprachlos für einen kleinen Moment. „Dann male mich. Zeig mir, wer ich wirklich bin.“
    Drei Tage später, drei Tage wie im Rausch, seine Finger arbeiteten wie von selbst, wie in einem magischen, silbernen Fieber.
    „Ich werde den Zug um fünf nehmen“, hatte sie gesagt, während sie an seiner Zimmertür lehnte.
    „Wohin?“ Seine Stimme war aufgeschreckt, schockiert, schon fast verlassen.
    „Du solltest auch packen.“ Sie lächelte. „Wir fahren nach Rom, zu Freunden. Wir beide.“
    Er wäre ihr gefolgt, egal wohin. Vida weckte in ihm Gefühle, die er bisher nicht gekannt hatte. Der Wunsch nach Nähe, taub pochende Begierde. Doch er war nicht fähig, dies zu zeigen, von sich aus nach ihr zu greifen, seine engen Grenzen zu überschreiten. Er war in Kaltgrau gefangen. Er hoffte, sie würde dies an seiner Stelle tun. Sie hatten es immer getan, alle, irgendwann. Nicht so Vida. „Zeichne es. Zeichne mir, was du fühlst.“
    Ariel hatte es getan, und mit jedem Bild wurden die Gefühle stärker, der Wunsch, sie zu berühren. Zu fühlen, sie zu fühlen, zu verschmelzen. Das Portrait, das er niemals fertigstellte, unterbrach er, als er zu ihr trat, sich herabbeugte und ihre Lippen sanft mit seinen bedeckte. Licht. Die Angst war weg, kauerte nicht mehr hinter seinen Augenhöhlen. Frieden kehrte ein, wie seit seiner Kindheit nicht mehr. Geborgenheit, Vertrauen. Aufgehoben, bewahrt zu sein. Und zu bewahren.
     
    Die Zikaden hatten nächtens in den

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