Café der Nacht (German Edition)
begonnen hatte, endete graunebelig. Die große Kastanie hatte all ihre sienabraun gewordenen Blätter losgelassen, der Wind sie durch die Sterntalergasse gejagt. Die Tage wurden kürzer, die Natur zog sich matt in Richtung Winterschlaf zurück. Das Leben schien sich zu verlangsamen. Zwischen Monroe und den Revoschizionären war es zu keiner Versöhnung gekommen. Zwar hatte Toblerone friedliebend versucht, zu vermitteln, doch Monroe zeigte sich an einem Wiedereinstieg in seine Truppe völlig desinteressiert. Der verbliebene Haufen zerstritt sich untereinander schnell hoffnungslos. Hatte man bisher geglaubt, Monroe wäre der Unruhestifter, so zeigte sich nun, dass Caspar und Kristians nicht in der Lage waren, sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen. Dass die drei anderen da noch ihre jeweiligen Gesinnungen dazwischenzwängen wollten, war wenig hilfreich. Sie schienen wie Schulkinder, denen der Erziehungsberechtigte abhandengekommen war. Einst perfekt aufeinander eingespielt, kamen sie nun ins straucheln. Einmal, so tuschelte man im Café, hätten sie gar vor nicht mehr als zwölf Leuten spielen müssen. Das Manuskript ihres Theaterstücks, das sie Hummelig letztlich vorlegten, lehnte er ab. Er teilte ihnen bald darauf bedauernd mit, dass er sie im Kaleidoskop aus dem Programm nehmen musste. Es ließ sich nicht länger verleugnen, dass die Glanzzeit der Truppe vorbei, der Lack abgeblättert war und nur mürrische Hilflosigkeit hinterlassen hatte. Wie er es anstellte, war rätselhaft, doch irgendwie schaffte es Hummelig, Monroe für eine letzte Vorstellung zu gewinnen. Das halbe Café der Nacht war vor Ort. Zum allerletzten Mal zeigte die Truppe, wie außergewöhnlich sie doch war, welch geballtes Talent sie vereinte. Sternschnuppenstrahlend und spritzig wie zu ihrer besten Zeit fegten sie über die Bühne. Jeudi liefen haltlos die Tränen übers Gesicht und hinterließen dunkle Spuren von Wimperntusche, als die sechs Kabarettstars am Ende ihre nicht enden wollenden stehenden Ovationen entgegennahmen, tosend wie Platzregen. Das Publikum tobte, wollte sie nicht gehen lassen, brachte den halbdunklen Zuschauerraum zum Erzittern. Auch Maxim hatte einen Kloß im Hals. Ihm kam es vor wie das Ende einer Ära. Schließlich der letzte Vorhang; aus. Danach lösten sich die Revoschizionäre sang- und klanglos auf.
Obwohl Maxim die Auftritte im Kaleidoskop geliebt hatte, war er doch freudig überrascht, als Monroe das Kabarett endgültig an den Nagel hängte und sich wieder seiner ernsthaften Schauspielwurzeln besann. Auf Beknien eines befreundeten Theaterregisseurs hin sprang er kurzfristig für einen Hauptdarsteller ein, der nach einem Verkehrsunfall im Krankenhaus lag. So landete Monroe unversehens beim erklärten Feind, beim „Boutiquentheater“ der protzigen Maximilianstraße, bei den renommierten Kammerspielen. Die Rolle hätte für ihn nicht maßgeschneiderter sein können. Er gab in einer extravaganten Faust-Inszenierung den Mephisto. Der geniale Schauspieler verwandelte sich so vollkommen in den Geist, der stets verneint, machte die sündige Verführung so reizvoll, dass jeder willenlos seine Seele an ihn verkauft hätte. Er schien bei seinen Auftritten gänzlich hinter der Rolle zu verschwinden, als hätte es nie einen Monroe, allein einen Mephisto gegeben. Mit einer solchen Intensität, wie Feuer in Gestalt eines Menschen.
Maxim erschien er wie seine persönliche Sibyl Vane. Wenn er ihn auf der Bühne sah, war er wie im Zauberbann und konnte den Blick nicht von ihm wenden. Er genoss die Momente, in denen er Monroes bildschönes Gesicht so unverhohlen anstarren konnte. Sein Herz schien dabei zu singen vor übersprudelnden Gefühlen. Seit Monroes Kuss im Regen schien alle Distanz, die seit Ariels Ankunft zwischen ihnen gewachsen war, wie weggeblasen. Im Gegenteil, alles war weit besser, als je zuvor. Für Monroe war es nichts als Freundschaft, das war Maxim klar. Doch das spielte keine Rolle. Er zog seine Gegenwart sogar eindeutig der seiner wilden Clique vor. Monroe schien plötzlich so gelöst. Er brachte ihn zum lachen, und Maxim war glücklich, wann immer er bei ihm war. Er hätte sich jede einzelne Theatervorstellung ansehen mögen, hätte ihm dies nur seine Arbeit erlaubt. Damit stand er keineswegs alleine. Eines Abends bediente Maxim zwei Mädchen, die ihm kichernd offenbarten, den frisch gegründeten Dean Monroe Fanclub zu leiten. Er musste stark an sich halten, um ein Lachen zu unterdrücken. Er konnte
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