Café der Nacht (German Edition)
sich nur allzu lebhaft vorstellen, wie Monroe darauf reagiert hätte.
* * *
Später Nachmittag, schon schwer von Novembertau. Die Straßen waren nassschwarz, es war unbehaglich kalt. Autos rollten vorbei, machten mit flüchtigen Scheinwerfern den Regen sichtbar. Sie zogen Spuren hinter sich her wie blecherne Schnecken. Einkäufer geisterten vor dem großen Fenster des Boulevardcafés vorbei, fest eingewickelt in ihre eigene Welt. Innen duftete es nach heißer Schokolade, süßherb. „Ab und zu“, meinte Florentine gerne, „muss man sich auch mal was gönnen.“
Maxim genoss es jedes Mal, wenn sie beide etwas gemeinsam unternahmen. Er war sehr froh, dass sie tatsächlich Freunde geblieben waren. Florentine hatte gedankenverloren ihre Kuchengabel im Mund und lutschte die Reste von Torte ab. Sie zuckte zusammen, als Maxim vernehmlich an die Fensterscheibe neben ihnen klopfte. Er hatte Monroe erspäht, der draußen vorbeiging. Der blieb tatsächlich stehen, kam heran und grinste, als er ihn, zum Fenster hineinblickend, erkannte.
„Entschuldige mich kurz“, meinte Maxim zur verblüfften Florentine und war auch schon aus dem Café hinaus. Kälte brannte an seinen erhitzten Wangen. Monroe war noch da. Sie hatten sich schon ein paar Tage nicht gesehen. Viel zu lange für Maxims Geschmack. Monroe sah unglaublich gut aus in seiner alten, dunklen Lederjacke, einen Schal um den Hals geschlungen. Er strahlte ihn erfreut an, sprühte vor ansteckendem Elan. „Hey, Max. Alles klar?“
In Maxim begann es lebendig zu prickeln, als ihre Augen sich für einen langen Moment trafen. „Ich denke schon.“
„Gut.“
„Und bei dir?“, fragte Maxim, irgendwie verlegen.
„Bestens.“
„Geht’s zur Vorstellung?“
In Monroes Augen schien ein Funke von Glück aufzublitzen, der verriet, wie sehr er die Schauspielerei liebte. „Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten ...“ Ergrinste.
„Der Worte sind genug gewechselt“, erwiderte Maxim daraufhin lachend. Monroes kleines Räubergrinsen machte seltsame Dinge mit ihm. Die grünen Augen blickten direkt in seine, und Maxim hatte Gänsehaut. Für einen Moment standen sie einfach da, etwas unschlüssig. Da war eine seltsame Verlegenheit in Monroes Lächeln. Maxims Herz pochte wie verrückt. Dann hob Monroe die Hand zum Gruß und wandte sich zum Gehen. „Okay, ich muss los.“
„Ja, mach’s gut! Toi toi toi!“
Maxim sah ihm nach, wie er zwischen den Passanten verschwand. Er dachte an den Kuss. Er dachte ständig an diesen dummen, bedeutungslosen Kuss. Ein eisiger Windstoß streifte ihn und er fröstelte.
Als er wieder bei Florentine am Cafétisch saß, beobachtete sie ihn ganz genau. Sie lächelte wie eine Katze, die gerade Sahne geschleckt hat. „Jetzt wird mir einiges klar.“
„Was denn?“
„Das hat ja ganz schön geknistert da draußen.“
„Wie bitte?“
„Na, so wie du Monroe ansiehst ... Holla, die Waldfee!“
Maxim schoss augenblicklich die Röte ins Gesicht und ihm wurde ganz flau zumute. „Was redest du denn da?“
Florentine lachte leise. „Komm schon, Maxim. Mir kannst du es sagen. Du stehst auf ihn, oder? Kann ich ja irgendwie verstehen. Ich hatte früher auch eine ziemliche Schwäche für böse Jungs.“
Maxim wusste nicht, wo er hinschauen sollte, so unangenehm war ihm das unerwartete Gesprächsthema. Erst jetzt, wo seine Freundin es so direkt angesprochen hatte, wagte er erstmals, sich selbst die Frage zu stellen: Bin ich verliebt? Bin ich tatsächlich in Monroe verliebt? Die Antwort kam prompt in Form eines verräterischen Hüpfers, den sein Herz zu machen schien. Maxim wurde ganz anders und er sank in seinem Stuhl zusammen. „Ach du liebe Zeit.“
„Maxim, alles in Ordnung mit dir?“
„Nein“, musste er gestehen. „Überhaupt nichts ist in Ordnung.“
Sie griff über den Tisch und drückte seine Hand. „Oh weh. Dich hat’s wirklich erwischt, oder?“
Maxim sah sie unglücklich an. „Und ich hatte mir doch vorgenommen, dass das niemals passieren würde!“
„Du meinst, weil er ein unverbesserlicher Windhund ist?“
Maxim seufzte. „Danke, dass du es so direkt sagst. Aber ja. Genau deswegen und noch aus ungefähr tausend weiteren Gründen.“
Sie sah ihn mitfühlend an und lächelte. „Nicht traurig sein, Maxim. Es ist immer ein Geschenk, verliebt zu sein. Selbst, wenn nichts daraus wird.“ Für einen Moment sah sie selbst ein wenig traurig aus. „Aber das Gefühl ist ohne Vergleich, solange es dauert.
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