Café der Nacht (German Edition)
dann?“
Monroe schien zu dämmern, wer die Quelle gewesen war, doch er schwieg beharrlich. Er blieb stehen und blickte ihn eindringlich an. „Ich will diesen ganzen Mist einfach hinter mir lassen. Ist das so schwer zu verstehen?“
„Ganz und gar nicht. Ich weiß nur so wenig über dich. Und wir sind doch Freunde, oder?“
„Freunde“, wiederholte Monroe leise. Er vergrub die Hände in seinen Jackentaschen und schlenderte weiter. „Sicher.“ Es klang seltsam kühl.
Maxim beeilte sich, aufzuschließen. Etwas in Monroes Tonfall machte ihn traurig. Waren sie das etwa nicht? War er ihm doch weniger wichtig, als er gedacht hatte? Es war ein niederschmetternder Gedanke. Er senkte den Kopf. Ihm schwante allmählich, dass Monroe ihn ebenso im Stich lassen könnte, wie seine Mutter es getan hatte, und das, ohne mit der Wimper zu zucken. Monroe brauchte niemanden. Er würde auch Maxim nie brauchen. Er war töricht, wenn er darauf hoffte. Florentine war im Unrecht. Da war nichts zwischen ihm und Monroe, und da würde niemals etwas sein. Es war Zeit, sich damit abzufinden. Doch just in dem Moment überraschte Monroe ihn, so, wie er es immer wieder aufs Neue zu tun vermochte. Er trat näher und legte einfach den Arm um seine Schultern.
„Tut mir leid, das mit deiner Mutter“, sagte er leise, weich.
Maxim sah zu ihm auf, sein Gesicht so nah. Der Blick in seinen Augen war so warm, wie er es nur von Vida kannte. Maxim musste schlucken. Obwohl er es nicht wollte, schlug sein Herz unwillkürlich schneller. „Danke“, brachte er heiser hervor.
„Wie war sie so?“, fragte Monroe, und es klang nach ehrlichem Interesse.
Maxim musste leise lächeln. „Wundervoll. Klug. Gebildet. Einfühlsam. Sie hat mich immer unterstützt, immer zu mir gehalten. Wie es ihr wirklich ging, wie traurig sie war, hat sie immer vor allen verborgen. Ich dachte früher, sie wollte nur die Contenance wahren. Vielleicht hatte sie einfach Angst, es zu zeigen. Sie muss so unglücklich gewesen sein.“
Sie schlenderten eine Weile schweigend nebeneinander her. Maxim blickte Monroe an, der einen seltsam verlorenen Ausdruck auf seinem hübschen Gesicht hatte.
„Lola“, setzte Monroe unversehens an, seine Stimme rau und ungewohnt leise. „Lola war genau, wie ich geworden bin. Vielleicht sogar noch schlimmer.“ Er warf Maxim einen Blick zu und lächelte leicht, aber es war ein trauriges Lächeln.
Maxim wagte nichts zu sagen, fühlte, dass gerade etwas Außergewöhnliches passierte, dass Monroe endlich sein Schweigen brach und ihm einen tieferen Einblick in seine dunkle Vergangenheit gewährte, den er vielleicht noch nie jemandem sonst gegeben hatte.
„Sie war ein Revuestar, weißt du. Sie war gut. Hat als Showgirl angefangen und sich hoch gekämpft. Eine Zeit lang hat sie im Moulin Rouge gearbeitet, aber dann schloss sie sich einer Wandertruppe an, und von da an waren wir immer auf Tour.“
„Wie alt warst du damals?“, fragte Maxim behutsam.
„Noch zu klein, um mich an eine Zeit zu erinnern, in der wir eine feste Wohnung hatten.“ Monroes Blick ging ins Nichts, während sie langsam die unebene Gasse entlang spazierten. „Sie hatte ständig andere Liebhaber. Sie wollte immer mehr. Sie wollte alles. Am liebsten hätte sie die ganze Welt besessen.“
„Darin unterscheidet ihr euch doch. Du würdest am liebsten gar nichts besitzen, und völlig ungebunden sein.“ Maxim zuckte nachdenklich die Achseln. „Im Grunde bist du das ja auch.“
Monroe warf ihm einen kurzen Blick zu und lächelte flüchtig. Er schwieg gedankenverloren. Maxim fürchtete, das könnte schon alles gewesen sein, das er ihm anvertrauen würde.
„Wie ist sie gestorben?“, erkundigte er sich vorsichtig.
Monroe sah ihn nicht an. Als er wieder etwas sagte, ging er nicht direkt auf die Frage ein. „Ich kannte gar nichts anderes, Max. Ich fand das alles nicht schlimm. Es war ein aufregendes Leben. Eine Zeitlang war es richtig schön, als Lola mit Gypsy zusammen war. Das war fast wie eine Familie. Aber Lola hat sie vergrault, so wie sie irgendwann alle vergrault hat. Und als sie mit dem verdammten Heroin anfing, wurde alles anders.“
Maxim hörte zwischen den Zeilen eine ganze Menge unterdrückte Wut, die Verletztheit eines vernachlässigten Kindes, dessen Mutter ihm nie eine Mutter gewesen war. Er wollte Monroe gerne Trost spenden, zeigen, dass er verstand, doch er wusste es besser, als das auch nur zu versuchen.
„Ich war sieben, als wir auf der Straße
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