Café der Nacht (German Edition)
lächelte ein kleines Lächeln, wie jemand lächeln mochte, der die Zukunft kennt. „ Du zweifelsohne.“
* * *
„Du hast ihr nie gesagt, was du für sie empfindest, oder?“ Maxim sah Rufus an, der hinter dem Tresen mit so sturer Gründlichkeit Gläser trocknete, als hinge der Weltfrieden davon ab. Es roch penetrant nach Limonenspülschaum.
„Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht.“
„Aber Nona geht es etwas an. Warum warst du nicht da und hast ihr Lebwohl gesagt?“
Endlich hielt Rufus kurz inne und Traurigkeit huschte über sein Gesicht. „Ich habe andere Prioritäten. So einfach ist das.“
„Blödsinn!“, schnaubte Maxim. „Du hast einfach nur Schiss, zu dem zu stehen, was du fühlst!“
„Das musst du gerade sagen, Romeo!“
„Was soll denn das jetzt heißen?“
Rufus blickte ihn scharf an, bevor er wieder die armen Gläser bearbeitete, dass einem bange werden konnte. „Vergiss es einfach.“
Maxim, dem schwante, worum es ging, folgte wohlweislich diesem Rat.
„Hör zu, Kleiner“, Rufus seufzte. „Manche Dinge sollen einfach nicht sein. Was bringt es also, sich zu quälen?“
„Aber du quälst dich doch so oder so“, erwiderte Maxim leise.
Rufus gab sich der Logik dieser Worte geschlagen. „Irgendwie hast du mir besser gefallen, als du noch keine Ahnung von Tuten und Blasen hattest, du Naseweis.“
* * *
Das Dach des Cafés erwies sich als undicht und musste notdürftig geflickt werden. Rasch brachten sie Ariels Hab und Gut in Sicherheit. Grauverhangen lag ein ewiger, schwerer Wolkenhimmel über München und drückte auf die Gemüter. Das Schreckgespenst Grippe ging um, und nicht wenige der Opernsänger lebten in panischer Angst vor heiseren Stimmen und Halsschmerzen.
Seit Donna und Kiki sich getrennt hatten, war Donnas üble Laune kaum zu ertragen. Man munkelte, Kiki hätte sie mit Showgirl Rosetta betrogen. Erwiesen war das nicht. Ob es nun am schlechten Gewissen lag oder nicht, Kiki schien die Trennung ausgesprochen schlecht zu verkraften. Die zierliche Schlangenfrau war in letzter Zeit beängstigend mager geworden. Ihre Haut war fahl, fast gräulich. Sie wirkte immerzu erschöpft und klagte oft, ihr täten alle Knochen weh. Und so, obwohl es sie natürlich erschreckte, war keiner wirklich überrascht, als sie eines Abends während ihres Auftritts in der Hummel zusammenbrach und ins Krankenhaus gebracht werden musste. Wie stets hatte sich die Neuigkeit blitzartig im Haus verbreitet. Als Donna jedoch von dem Vorfall erfuhr, wurde sie schreckensbleich. Sie blieb kaum lange genug, um sich sagen zu lassen, wohin man Kiki gebracht hatte, und machte sich sofort auf den Weg zu ihrer Ex-Freundin.
„Da sind wohl bei jemandem noch Gefühle im Spiel!“, kommentierte das Kätzchen gewohnt gehässig, als die Haustür hinter Donna zuschlug.
„Immer noch besser, als überhaupt keine zu haben“, bemerkte Maxim.
Das Kätzchen schnaubte empört. „Frechheit! Was ist bloß mit dem Kleinen passiert? Kaum zieht man sie groß ...“
„ ... kacken sie einem auf den Schoß“, vollendete irgendein Witzbold trocken den Satz, und lautes Lachen beendete die Szene.
Spätnachts wachte Maxim durstig auf und tappte durch den dunklen Flur in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen. Die Tür stand offen, durch das Küchenfenster fiel bleichgelbliches Licht herein. Es war Vollmond, der kleine Raum lag in bläulichem Halbdunkel. Als Maxim eintrat, erschrak er über ein leises Geräusch, ein unterdrücktes Schluchzen. Am Küchentisch, in der Dunkelheit saß zusammengesunken eine verlorene Figur.
„Donna?“
Sie antwortete nicht, doch sie sah auf, als er sich neben sie setzte. Er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht genau erkennen, aber das war auch gar nicht nötig.
„Was haben die Ärzte gesagt?“
Donna wischte sich ärgerlich die Tränen von den Wangen. Doch es half nichts, sie flossen weiterhin. Ihr Körper bebte, als wolle er mit mehr als Tränen weinen. Maxim saß bestürzt und hilflos daneben.
„Sie haben gesagt, dass sie nichts mehr für sie tun können. Es ist zu spät dafür.“
„Mein Gott. Was hat sie?“
„Leukämie. Sie wird sterben. In ein paar Monaten ist sie tot.“
* * *
Am Todestag seiner Mutter hatte Maxim stets ihr Grab besucht und einen Strauß teurer Rosen abgelegt. Dieses Jahr war es ihm nicht möglich. Zum ersten Mal seit Langem dachte er an zuhause, an seinen Vater. Er fühlte sich verloren und allein. In seinem kleinen
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