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Café Eden - Roman mit Rezepten

Titel: Café Eden - Roman mit Rezepten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Kalpakian
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Lachen, und als Eden sich umdrehte, sah sie Nana Bowers. Nana Bowers war uralt und eigentlich hätte sie schon längst tot sein müssen, aber sie war äußerst lebendig und äußerte stets mit Nachdruck ihre Meinung. Sie kannte St. Elmo noch aus seinen Anfängen, weil sie 1854 mit den ersten Siedlern als Sklavin hierhergekommen war.
    Â»Kann deine Ma nicht kochen?«, fragte die alte Dame und wölbte ihre Lippen über dem zahnlosen Gaumen. Mit ihren kleinen Augen, die trotz ihrer achtundachtzig Jahre noch klar waren, blinzelte sie Eden an und setzte ihre Brille auf. »Ich kenne dich. Du bist das Kind von Ruth Douglass.«
    Â»Die Enkeltochter«, sagte Eden. »Meine Mutter ist Kitty Douglass.«
    Â»Erzähl mir nichts, was ich schon weiß.« Nana Bowers hatte kohlschwarze Haut, und ihre dünnen grauen Haare, die aus dem Haarnetz herausgerutscht waren, standen wirr um ihr Gesicht. Sie hatte einen Goldzahn und einen Stock. Früher war sie dafür bekannt gewesen, dass sie damit ihre frechen Enkel, Urenkel und vielleicht sogar schon Ururenkel verprügelt hatte. »Hat deine Mutter denn überhaupt jemals was gelernt?«
    Â»Meine Ma sagt, wozu soll sie kochen lernen, wenn andere Leute, Leute wie Sie, es so gut können!«, erfand Eden aus dem Stegreif.
    Â»Na, wenn du sie lässt, gibt es auch Leute, die für dich atmen und denken.«
    Eden fuhr fort: »Meine Ma sagt, die gebratene Okra von Bojo ist das reinste Götteressen, besser als alles im Pilgrim.«
    Â»Du bist ganz schön durchtrieben.« Mabel lachte.
    In diesem Augenblick kam Mabels Tochter Sojourner aus der Küche, ein kaffeebraunes Mädchen von vielleicht zehn Jahren mit ordentlich geflochtenen Zöpfen und einer scheuen Art. Sie nickte Eden zu. »Ich habe gesehen, wie sie dich heute von der Schule verwiesen haben.«
    Mabel Bowers warf Eden einen erschreckten Blick zu.
    Â»Das war kein Verweis. Der Direktor hat mich nur kommen lassen, um mir zu sagen, ich sei so klug, dass ich dienstags nicht in die Schule müsse. Jetzt kann ich am Dienstag machen, was ich will.«
    Â»Vielleicht solltest du kochen lernen«, sagte die alte Dame aus ihrer Ecke kichernd.
    Sojourner nickte Eden verschwörerisch zu und wandte sich an ihre Großmutter. »Eden hat so ein schlimmes Lied gesungen, dass die Lehrerin fast in Ohnmacht gefallen ist, als sie es gehört hat. Etwas über den Scheich, Nana, der in Zelte kriecht.« Sojourner begann leise »The Sheik of Araby« zu summen.
    Â»Schund!«, schrie Nana Bowers und schwang ihren Stock. »Dieser Schund im Dream Theatre. Dieser Schmutz ohne Sinn und Verstand, der die Leute von ihren gottgegebenen Pflichten abhält und sie mit Lust erfüllt. Ja, mit Lust!«
    Die alte Dame wütete immer weiter. Sojourner hatte bestimmt gewusst, dass sie sich darüber aufregen würde, denn sie kicherte. Mabel warf ihrer Tochter einen warnenden Blick zu. Aber als die alte Dame dazu überging, Ernest March zu beschimpfen, den Star aus Die grüne Göttin , fühlte Eden sich bemüßigt, ihn zu verteidigen. Ernest March war für Kitty eine Art Gott, mehr als Jesus, Joseph Smith, Brigham Young oder Moses, und Eden teilte die Verehrung ihrer Mutter für den Schauspieler. Sie machte den Fehler, Nana Bowers’ Tirade zu unterbrechen, um sie darauf hinzuweisen, dass Ernest March ein Gentleman sei.
    Â»Halt den Mund!«, fuhr Nana sie an. »Was weißt du schon von Korruption? Nichts! Diesem Dream Theatre dringt doch die Korruption aus jeder Pore. Alle sind sie korrupt!«
    Â»Was ist Korruption?«
    Â»Stimm ihr einfach zu«, riet Sojourner ihr leise.
    Â»Ja, Ma’am, Korruption«, sagte Eden, entzückt über dieses wundervoll böse Wort. Sie wandte sich an Mabel. »Haben Sie noch etwas da, das ich kaufen und mit nach Hause nehmen kann?« Sie legte ihre vierzig Cents auf die Theke.
    Mabel Johnson schnalzte mit der Zunge. »Ihr wollt fünf Leute für vierzig Cents satt kriegen?«
    Arglos erwiderte Eden: »Bei Mrs. Patterson reicht das.«
    Mabel runzelte die Stirn. Zwischen den Bowers und den Pattersons herrschte eine unausgesprochene Konkurrenz.
    Â»Ruth Douglass hat ihre Kinder auch nie arbeiten lassen«, unterbrach Nana ihre Tirade. »Sie hat immer geglaubt, sie seien zu gut, um in ihrem Lokal zu arbeiten. Das war ihr Fehler. Man sieht ja, was es ihr gebracht hat. Nur Kummer und Leid.

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